Dem Volk den Puls fühlen

Zu meinem Frühstück gehören nicht nur Kaffee und Brot, sondern auch die Nachrichten im Radio. So nach dem Motto: Hallo Welt, ich bin wach, wie sieht es bei Dir aus?

Die Nachrichten von Radio DRS 1 und 2 sind für mich ein Tor zur Welt, durch das ich am Morgen und Abend, beim Essen oder Kochen, alleine oder zu zweit an dem teilhabe, was in der Welt passiert. Ich schätze die sorgfältige und ausgewogene Berichterstattung, die mich auch über Dinge informiert, die ich sonst nicht zu hören oder zu lesen bekomme. Viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren.

Nur manchmal ärgere ich mich; nicht über die Welt, sondern über die Art, wie über sie berichtet wird.

 

Trendstudien als Dienstleistung?

Zum Beispiel neulich, als ein Bericht über die kommende Abstimmung vom 19. Mai gesendet wurde. Das gfs.bern hat dazu eine Trendstudie veröffentlicht, wonach 59% der Befragten bei beiden eidgenössischen Abstimmungen Ja stimmen würden.Gfs.bern wirbt mit dem Slogan ‚Menschen. Meinungen. Märkte‘ und ist ein privates Institut zur angewandten Forschung in den Bereichen Politik und Kommunikation in der Schweiz. Es bietet demoskopische Dienstleistungen. Dazu gehören Trendstudien vor Abstimmungen; die jetzige ist erstellt im Auftrag der SRG.

Konkret ging es im Radio-Bericht nur um die AHV-Steuer-Vorlage. Ich höre von den Erwartungen der Abstimmenden; davon, dass sie von einer Annahme der Vorlage ausgehen. Von dem unguten Gefühl, das die meisten über die Verknüpfung der beiden Vorlagen haben. Dass sie aber wegen der Dringlichkeit beider Vorlagen in den sauren Apfel beissen und darum Parteien und Regierung folgen werden. Immerhin hätten sie beiden Vorlagen schon mal die rote Karte gezeigt, darum gehe man für einmal einen unsauberen Kompromiss ein.

Argumente statt Stimmung!

Gfs.bern bleibt seinem Slogan treu: Auf dem Abstimmungsmarkt werden Menschen über ihre Meinungen befragt. Oder vielleicht besser: auf ihre Befindlichkeiten abgeklopft. Als ob es bei der Abstimmung um die Stimmung ginge, die in die eine oder andere Richtung schwappen könnte.Die angewandte Forschung des gfs.bern macht uns zum Objekt, um uns als Subjekte über uns als Objekte zu informieren.

Was bewirkt diese Information bei mir? Sie lenkt mich von dem ab, worum es geht. Eigentlich sollte ich über die Argumente nachdenken, die mir dabei helfen, eine Entscheidung zu fällen. Der Bericht aber lenkt meine Aufmerksamkeit weg von der Sachebene und hin zu meinen Stimmungen und Befindlichkeiten. Sind das überhaupt Informationen? Oder soll hier mit einer als Vorhersage getarnten Stimmungsmache unsere Stimmung in Sachen Abstimmung beeinflusst werden?

 

Was müssen wir im Voraus wissen?

Kommt dazu, dass uns jetzt schon vorhergesagt wird, wie die Abstimmung am 19. Mai herauskommen wird. Braucht es diese Vorhersage? Warum kann man nicht einfach warten, bis es so weit ist? Ich schätze die Wettervorhersage, weil ich dann weiss, ob ich den Regenschirm einpacken oder den Wintermantel anziehen muss. Ich bin dann gerüstet für Kälte und Regen.

Aber müssen wir jetzt schon für das gerüstet sein, was bei der Abstimmung herauskommt? Sollten wir uns jetzt nicht besser dafür rüsten, dass wir bei der Abstimmung richtig abstimmen?

Oder soll uns gesagt werden, wie wir abstimmen sollen, damit es so herauskommt, dass welche dann auch richtig gerüstet sind? Dann wäre die Abstimmung eine Farce.

Am nächsten Morgen erfuhr ich in den Nachrichten, dass immer mehr Leute nicht mehr zu Hause frühstücken, sondern sich unterwegs verpflegen. Vielleicht weil sie dann keine Nachrichten mehr hören müssen? Für mich als passionierte Radiohörerin ist das keine Lösung. Dieses Tor zur Welt möchte ich unter keinen Umständen missen. Und wo sollte ich mir dann auch die Zähne putzen; unterwegs am Brunnen?

Die Meinung der Autorin in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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3 Kommentare
  • Anita Ochsner
    Gepostet um 07:19 Uhr, 16. Mai

    Dazu gäbe es einen Kompromiss!:
    Zu Hause Radio hören, dann ab an den Brunnen! – Zähne putzen und über das Gehörte diskutieren … 😉
    Ich ärgerte mich auch schon über diese Vorhersagen die den Hintergrund ganz weglassen. Sie sind dann der Ansporn die Diskussion erst recht da und dort aufzunehmen.
    Danke für den amüsanten anregenden Beitrag. Einen guten Start in den Tag!

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  • Kuh
    Gepostet um 23:49 Uhr, 16. Mai

    mich würde bezüglich der sozialhilfeabstimmung in unserem kanton schon interessieren, ob wirklich kein knochen darauf kommt, dass je leerer das portemonnaie desto geringer der co2-ausstoss, und eben desto berechtigter ein anständiger betrag. jedenfalls dort, wo die gleichung zutrifft. und wenn man bedenkt, was die verdienen, die durch ihr verdienen unser klima zerstören.

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    • Kuh
      Gepostet um 23:59 Uhr, 16. Mai

      auch die bemühung der suchmaschine erwirkt eine unanständige co2-emission. darum gleich hier: vor „desto“ käme noch ein ,

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