Der Papst bei Luther – was bedeutet das für die Reformierten?

Der Papst besucht den Lutherischen Weltbund in Schweden am Reformationstag. Und was meint dazu der Zürcher Kirchenratspräsident? Das haben mich ausgerechnet zunächst die Zürcher Katholiken gefragt. Ich habe mich zwar gefreut und auch geehrt gefühlt, aber die Frage bringt mich auch in Schwierigkeiten. Denn im Unterschied zu Vielen empfinde ich wenig Begeisterung darüber und bin überhaupt bisher dem Charme des «Buona sera»-Papstes nicht erlegen. Irgendwie «zwinglianisch» bleibe ich eine kritische Spassbremse.

Denn: Was hat das Ganze mit uns Reformierten zwinglianischen oder calvinistischen Ursprungs zu tun? Wie seit 500 Jahren üblich, tauchen sofort Befürchtungen auf: Machen da die Lutheraner mit den römischen Katholiken ein «Päckli»? «Besser katholisch als mit den Schweizern» meinte schon Luther sinngemäss. Doch sollten solche Ängste nicht mittlerweile überwunden werden können?! Denn seit gut 40 Jahren, seit der «Leuenberger Konkordie» von 1973, sind Lutheraner, Reformierte und Methodisten miteinander verbunden und haben Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Sie haben Einheit verwirklicht, aber auf evangelische Weise, nämlich nicht «volle sichtbare Einheit», sondern «Einheit in versöhnter Verschiedenheit».

Ist dann die Sehnsucht nach «voller Einheit», die eine gemeinsame Eucharistie erst ermöglichen soll, wie es in der gemeinsamen Abschlusserklärung heisst, irgend etwas Neues, oder nicht nur freundlich das immer Gleiche gesagt: Ohne sichtbare Einheit unter dem römischen Oberhaupt und mit Anerkennung des römisch-katholischen Amtsverständnisses gibt es kein gemeinsames Abendmahl. Und die Sehnsucht nach «voller Einheit» kann dann durchaus fast als Drohung verstanden werden. Freundlicher als mit einer Umarmung der schwedischen lutherischen Bischöfin kann man nicht drohen…, um dann auf dem Heimflug nach Rom zu betonen, die Frauenordination stehe nicht zur Debatte! Nicht und nie! Obwohl die schwedischen Frauen ganz ganz starke seien… Wird demnach erwartet, dass die Protestanten die Frauenordination mittelfristig wieder aufgeben? Die Lutheraner in Lettland haben diesen Schritt schon getan. Ist die Frauenordination wirklich eine «Zumutung», wie ein katholischer Priester kürzlich einer Zürcher Pfarrerin und Mitglied der Dekanenkonferenz gesagt hat?

Seit gut 40 Jahren haben wir in der Schweiz auch die gegenseitige Taufanerkennung. Wir beten das Unservater, pardon Vaterunser, mit demselben Text, wenigstens auf deutsch. Das sind und bleiben hoffentlich wichtige Zeichen der Einheit und Verbundenheit in Christus. Das Amtsverständnis aber trennt uns. Solange das Geschlecht und der Zivilstand einer Person dafür bestimmend sein soll, wer dem Abendmahl vorsteht, wer Christus repräsentiert («in dem weder Mann noch Frau ist», wie Paulus schreibt in Galater 3,28) solange kann man nicht gemeinsam feiern. Das schliesst gegenseitige Besuche und Einladungen aber nicht aus, die sogenannte eucharistische Gastfreundschaft. Wenn Papst und Lutheraner formulieren «Vielmehr haben wir gelernt, dass das uns Verbindende größer ist als das Trennende», klingt das sehr ähnlich wie es Kirchenratspräsident Ruedi Reich und Weihbischof Peter Henrici im Zürcher Oekumenebrief von 1997 geschrieben haben: «Längst ist uns bewusst, dass unsere Kirchen viel mehr miteinander verbindet als trennt.» Das gibt auch Grund zur Hoffnung.

Und deshalb schliesse ich meinen Kurzkommentar mit den für mich stärksten Abschnitten der gemeinsamen Erklärung von Lutheranern und katholischer Kirche. Gleich am Anfang heisst es: «Während wir eine tiefe Dankbarkeit empfinden für die geistlichen und theologischen Gaben, die wir durch die Reformation empfangen haben, bekennen und beklagen wir vor Christus zugleich, dass Lutheraner und Katholiken die sichtbare Einheit der Kirche verwundet haben.» Vor allem den ersten Teil habe ich so noch nie gehört. Aus der Dankbarkeit heraus werden wir frei, auch Fehler und Verwundungen zu bekennen. Und so möchte ich danken für die Treue zur reichen christlichen Tradition in Liturgie und Theologie, die die römisch-katholische Kirche bewahrt hat, und auch danken für die vielfältige Zusammenarbeit in Seelsorge und Diakonie, die wir gerade hier bei uns in Zürich pflegen und weiter entwickeln im Dienst für ein glaubwürdiges Christuszeugnis. Wie es in der gemeinsamen Erklärung ganz am Schluss heisst: «In Christus verwurzelt und ihn bezeugend erneuen wir unsere Entscheidung, treue Boten von Gottes grenzenloser Liebe für die ganze Menschheit zu sein.» Dazu kann ich nur «Amen» sagen!

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2 Kommentare
  • Thomas Thurnheer
    Gepostet um 14:03 Uhr, 13. November

    Da der Protestantismus die Wahrheit ist, wird er sich an den Grundsatz von 1. Korinther 6,7+8 halten und die Hand nach dem Vorbild Christi dem Bruder auch dann noch ausstrecken, wenn absehbar ist, dass er missbraucht, misshandelt und im schlimmsten Fall egalisiert werden wird. Dies ist jedoch die einzige, dem Wort Gottes entsprechende Verhaltensweise ! Hier scheiterte Zwingli, hier baute er sich vor Gott sein Schicksal. Es wird das Schwierigste der ganzen Welt sein, Gott zu vertrauen, dass er die Wahrheit verschonen wird wie Daniel in der Löwengrube. Es darf niemals wieder Krieg geben im Namen Christi !

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  • Esther Gisler Fischer
    Gepostet um 10:14 Uhr, 14. November

    Es ist mir schleierhaft, weshalb sich der LWB mit der röm.-kath. Hierarchie ins Lotterbett legt und das ausgerechnet beim Reformationsjubiläum. So gesehen bin ich froh um Michel Müllers klare Gedanken.

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