Ehe für alle

Ich habe dreimal geheiratet. Notabene dreimal die gleiche Frau. Das erste Mal 1998 als die reformierte Kirche das Institut der Fürbitte-Feiern für gleichgeschlechtliche Paare schuf. Vor diesem Schöpfungsakt machte sie sich kundig über lesbische Schimpansen und schwule Schildkröten. Man stritt über das Wording. Fürbitte, Segnung, Trauung. Ringtausch ja oder nein? Hochzeitsmarsch ja oder nein? Gelübde ja oder nein? Glockengeläut mit vier Glocken oder nur zwei? Man zementierte die fundamentale Differenz zwischen Liebe und Liebe und vergass nie doppelt zu unterstreichen, dass richtige Trauungen etwas ganz anderes seien. Und schliesslich zerbrach man sich den Kopf darüber, ob die Homophilen, wie diese Spezies in den kirchlichen Handreichungen liebevoll genannt wurde, der vollständigen Liebe der Mutter Kirche würdig seien. Setzen sie sich zur Nahrungsaufnahme ordentlich an den Tisch? Oder lungern sie Pizza essend auf dem Sofa herum und schauen RTL? Bauen sie gemeinsam stabile Nester? Oder hüpfen sie von einem zum anderen? Ich karikiere nur wenig. Liberale kirchliche Kreise mussten einen Weg finden, um die Konservativen nicht zu erzürnen. So kam’s für Homosexuelle verletzend raus.

Die zweite Hochzeit war ein Verwaltungsakt beim Notar. Der Kanton Zürich ermöglichte damals die Registrierung gleichgeschlechtlicher Paare. Im Juni 2009 der dritte Streich. Nachdem das Schweizer Volk ja gesagt hatte zur Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, taten wir das. Da eine Eintragung keine Ehe ist, mussten wir unsere Erbangelegenheiten zusätzlich notariell regeln. Falls dereinst die Ehe für alle kommt, gäbe es eventuell noch eine vierte Hochzeit. Auch eine fünfte, die richtige kirchliche Trauung wäre denkbar. Ich finde es schon jetzt eher schwierig, den Überblick über all die Hochzeitstage zu behalten! Aber offenbar hilft die Mehrfach-Heiraterei. Wir sind seit bald 27 Jahren ein Paar.

Die Schweiz ist bei den Homosexuellenrechten nicht Spitze. Die Ehe steht nicht offen, und einen Diskriminierungsschutz gibt es nicht. Eine gar nicht so seltene Frage bei meiner Arbeit als Spitalpfarrerin lautet übrigens: Sind Sie verheiratet? Ich antworte immer mit ja, obwohl mein offizieller Zivilstand in eingetragener Partnerschaft heisst. Ich habe keine Lust, meine sexuelle Orientierung in jeder Situation zu bereden.

Als meine Partnerin und ich uns vor 20 Jahren für eine gemeinsame Pfarrstelle bewarben, begegneten wir kirchlichen Bedenken und Sorgenfalten. Wir haben nichts gegen Schwule, aber unsere Gemeinde ist noch nicht so weit. Wir sind tolerant, aber bitte nicht gerade bei uns. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt. Wir hatten gerade einen Konflikt in der Gemeinde. Wir hatten gerade einen problematischen Pfarrer. Hmm, schwierig für Ökumene und Allianz. Das würde unsere evangelikalen Mitglieder verletzen.

Einmal wurden wir zur Wahl vorgeschlagen. Es kam zum Medienrummel bis ins Fernsehen. In der Berner Kirche, zu der wir beide nicht gehörten, fanden wir dank eines mutigen Kirchgemeinderats und eines eben solchen Pfarrkollegen schliesslich eine Stelle. Wir waren meines Wissens das erste offen lebende homosexuelle Paar in der Schweiz, das sich eine Pfarrstelle teilte. Keine Blitze vom Himmel, keine Kirchenaustritte.

Ich vermute auch heute wäre eine Bewerbung als lesbisches „Pfarrverpartnertpaar“ ins Gemeindepfarramt kein Sonntagsspaziergang. Hätte uns die Ehe für alle geholfen? Ich denke schon. Der Zivilstand verheiratet schafft Legitimität, und spielt im konservativen Kirchenmilieu eine Rolle. Darum: Same Love – Same Rights. Ehe für alle, aber subito!

Die Meinung der Autorin in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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20 Kommentare
  • michael vogt
    Gepostet um 07:27 Uhr, 29. Juni

    mit meiner partnerin zusammen wohne ich auf 20 quadratmeter. die kinder im quartier fragen mich: „wie geht es deiner frau?“ „wir tun nicht so mit ‚wie geht es?‘.“ das wird anerkannt. „was macht Ihr heute abend?“ „sie hat mir gesagt, ich solle euch nicht alles verraten.“ wird auch anerkannt. eine neunjährige hat mal gesagt: „die existiert gar nicht.“ die philosophisch-freidenkerische sprache verriet den gedanken ihrer mutter. es ist erstaunlich, was für einen sinn kinder insgesamt für „gar nicht existierende“ existenzen haben. ehe für alle? auf den gedanken, sie zu heiraten, bin ich noch gar nicht gekommen. und sie umgekehrt, glaube ich, auch nicht. es ginge wohl zuerst einmal um so etwas wie eine eingetragene existenz. Ihnen und Ihrer partnerin alles gute!

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 08:31 Uhr, 29. Juni

    Hammerbeitrag! ?

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    • Brigitte Hauser
      Gepostet um 09:43 Uhr, 29. Juni

      Danke liebe Barbara

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  • Laura Klingenberg
    Gepostet um 10:00 Uhr, 29. Juni

    Nichts inhaltlich Unbekanntes aber ein Thema, bei welchem jede persönliche einzelne Stimme zählt! Danke gibts auch du dem worüber „objektiv“ und „sachlich“ abgestimmt wird mit dem Einblick in deine persönliche Biographie ein Stück Subjektivität und Menschlichkeit. Same love- same rights – We will get it!

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  • Laura Klingenberg
    Gepostet um 10:04 Uhr, 29. Juni

    Keine unbekannte Botschaft aber eine, bei welcher jede persönliche einzelne Stimme zählt! DANKE gibts auch du dem worüber „objektiv“ und „sachlich“ abgestimmt wird mit dem Einblick in deine persönliche Biographie ein Stück Subjektivität und Menschlichkeit. Same love- same rights – We will get it!

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  • Stephan Jütte
    Gepostet um 10:13 Uhr, 29. Juni

    Liebe Brigitte!
    Herzlichen Dank für diesen wunderbaren Beitrag! Frohes Feiern euch 2! 🙂

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    • Brigitte Hauser
      Gepostet um 12:21 Uhr, 29. Juni

      Lieben Dank, Uiii ja, das ist ja wieder soweit 😉

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  • Margrit Schwander
    Gepostet um 12:30 Uhr, 29. Juni

    Liebe Brigitte
    .Dein Beitrag ist super und wertvoll. Vielen Dank!
    Wie absurd doch alles noch vor 2 Jahrzehnten war. Ehe für alle ist eine Selbstverständlichkeit. Danke allen, die sich dafür einsetzen!
    Nicht zuletzt euch beiden verdanke ich, dass ich mit meiner Frau seit fast 20 Jahren im Pfarrhaus leben kann, Das verbindet. Wir sehen uns.

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    • Brigitte Hauser
      Gepostet um 12:37 Uhr, 29. Juni

      Danke liebe Margrit. Bin ganz gerührt. Bis bald.

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  • Esther Wannenmacher
    Gepostet um 16:44 Uhr, 29. Juni

    Eindrückliche und berührende Zeilen! Vielen Dank!

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  • Anonymous
    Gepostet um 21:15 Uhr, 29. Juni

    Die Revision der Kirchenordnung wäre die Gelegenheit gewesen, die kirchliche Trauung auch für eingetragene Partnerschaften zu öffnen, leider schreibt die refomierte Kirche immer noch vor, dass sich Segnungsfeiern von Hochzeiten unterscheiden müssen, dies obwohl Hochzeiten reformiert gesehen nichts anderes sind als Segungsfeieren. Es wäre endlich an der Zeit für eine echte Gleichstellung.

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    • Corinne Duc
      Gepostet um 02:32 Uhr, 01. Juli

      Per se schliest die Kirchenordnung gleichgeschlechtliche Eheschliessungen so weit ich sehe nicht aus. Verstehe ich richtig dass Sie in Art. 57 Abs. 3 KO „Der kirchlichen Trauung geht die zivile Eheschliessung voraus“ gerne ergänzt gehabt hätten durch „oder eine eingetragene Partnerschaft“ (weil bzw. solange „zivile Eheschliessung“ für gleichgeschlechtliche Partnerschaften noch nicht offen ist)? – Es könnte allerdings auch sein, dass der Druck zur Änderung der Staatsgesetze durch diesbezügliche Nichtänderung von Art. 57 KO verstärkt wird.

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  • Reinhard Rolla
    Gepostet um 12:37 Uhr, 30. Juni

    Die anonymen „Daumen-runter“-Genoss/innen sollten den Mut habe, ganze Texte mit ihrer Meinung zu schreiben und ihre Identität zu zeigen. Das wäre ehrlicher und hilfreicher, meine ich. Ich meinerseits denke, man sollte – ob religiös oder nicht – so langsam im 21. Jahrhundert angekommen sein.

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    • michael vogt
      Gepostet um 13:50 Uhr, 01. Juli

      da gibt es verschiedene gesichtspunte: zb ist ja das internet noch nicht im 21. jahrhundert angekommen, so dass es verständlich ist, dass nicht alle namentlich mitmachen. nur 5% werten oder kommentieren. wenn du dir das kommentarfeld hier anschaust https://www.facebook.com/zhrefch/posts/1797032207039432, kannst du dir vostellen, dass ein blog ohne die daumen nach unten option eine ziemlich andere gestalt annehmen könnte. das wäre dann vielleicht nicht mehr im sinne des erfinders. andererseits gibt es auch den gesichtspunkt, dass das dialogische vor radikalisierung bewahrt. und dann, finde ich, dass diese anders denkenden uns auch etwas zu sagen haben – wenn wir, was sie sagen, auch nicht unbenommen übernehmen können. du kennst meine meinung: „das war einer auf die rechte – jetzt bitte noch einen auf die linke“ oder auch: ausreichend kiel, geruhsame fahrt.

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  • Alpöhi
    Gepostet um 01:21 Uhr, 03. Juli

    Die Homophobie kommt daher, dass man sich fürchtet vor dem was man nicht kennt. Aber eigentlich, im täglichen Leben, erlebe ich die Homosexuellen in meinem Umfeld als ganz normale Menschen. Die sexuelle Orientierung sollte im täglichen Leben so wenig eine Rolle spielen wie bei allen anderen Menschen. Meine Sexualität lebe ich ja auch im Schlafzimmer und nicht auf der Strasse oder im Büro.

    Wenn es die Gay Pride nicht mehr braucht, weil es einfach kein Thema mehr ist, dann erst ist die Gesellschaft einen Schritt weiter gekommen.

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