Grenzen der Freiheit

Skandal!

In den letzen Tagen hat ein kleiner Bericht der Gratis-Zeitung 20 Minuten in gewissen Kreisen wieder mal hohe Wellen geworfen. Wer in der Online-Konkordanz des Jungschar-Verbandes BESJ den Begriff „Homosexualität“ gesucht hat, bekam Links mit Überschriften geliefert, bei denen sich mir die Nackenhaare kräuselten. Daraufhin skandierten die einen „Skandal!“ (wohl nicht ganz zu unrecht), der BESJ äusserte sich und nahm die betreffenden Links vom Netz und die Schweizerische Evangelische Allianz lieferte in der NZZ eine Stellungnahme, in der sie sich für die Annahme von Menschen, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung und gegen die unreflektierte biblizistische Diskriminierung ebendieser stellt.

Ist damit alles ok? Nein, davon sind wir weit entfernt. Aber während ich bei den genannten Verbänden immerhin den Versuch wahrnehmen konnte, einen Schritt in Richtung Öffnung zu gehen, waren es die Reaktionen einiger selbst ernannten „Liberalen“, deren Geisteshaltung bei mir mehr als nur ein paar Fragezeichen hervorgerufen hat. Was da zum Ausdruck kam, war eher ziemlich totalitär denn liberal.

Verschiedene Menschen, verschiedene Auffassungen

Lassen Sie mich das vorweg klarstellen: Wenn der BESJ nach wie vor die Auffassung vertritt, dass die Ehe zwischen Mann und Frau die einzig gottgewollte Form gemeinschaftlichen Lebens ist, dann entspricht das weder meiner Meinung noch meinem Bibelverständnis. Wenn ich jedoch ganz ehrlich sein soll, dann steht auch die Aussage von Gottfried Locher, seines Zeichens Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, dass Homosexualität Gottes Schöpfungswille entspreche, theologisch auf ähnlich wackeligen Beinen – selbst wenn das eher meiner eigenen Meinung entsprechen mag. Und übrigens: Herr Locher dürfte das gerne vermehrt auch im interreligiösen Dialog einbringen. Da sitzen nämlich Partner am Tisch, deren Religionen hier theologisch auch noch einiges aufzuarbeiten haben.

Dass aber offenbar im interreligiösen Dialog andere Massstäbe zur Anwendung kommen als in der innerevangelischen Ökumene, ist jedoch nur ein Nebenschauplatz. Das eigentliche Problem ist, wenn wir meinen, darüber richten zu müssen, was jemand zu glauben hat, um in unseren Augen ok zu sein. Aber wenn wir das tun, dann sollten wir uns wenigstens nicht liberal schimpfen, weil wir meinen, im moralischen Vorteil zu sein. Der BESJ darf seine Haltung zu Gottes Schöpfungswillen ebenso vertreten wie Gottfried Locher die seine. Das garantiert die Glaubens- und Gewissensfreiheit in unserem Land. Ein hohes, wahrhaft liberales Gut. Denn was wirklich liberal ist, ist nicht in erster Linie von irgend einer besonders erleuchteten Auffassung der Dinge abhängig, sondern davon, welche Haltung man seinem Gegenüber entgegen bringt. Wer wirklich liberal ist und wer nicht, zeigt sich erst im Miteinander.

Wer (oder was) ist wirklich liberal?

Was die Schweizerische Evangelische Allianz äusserte – Akzeptanz des Menschen und Ablehnung von Diskriminierung – ist eine genuin liberale Haltung, weil sie den Menschen ihre Freiheit zu selbstverantworteten Entscheidungen lässt, ja gar verteidigt. Was die Lehrmeinung der Verbandes oder der Glauben des Einzelnen dahinter ist, spielt in dieser Hinsicht im besten Falle eine untergeordnete Rolle. Nicht die Bohne liberal ist jedoch, wenn selbsternannte Liberale wie Kreuzritter mit wehenden Fahnen gegen diese Verbände in die Schlacht ziehen und dabei eine Haltung an den Tag legen, die karikiert ungefähr so lauten würde: „Solange ihr nicht so glaubt, wie wir das für richtig halten, seid ihr alle homophob.“

Wenn man dann nachfragt, was das soll und weshalb man nicht eher den Dialog suche, kommt dann die Antwort, dass auch Liberalität ihre Grenzen hat. Ja, das hat sie! Und ihr habt sie gerade überschritten und ihre Werte mit Füssen getreten! Denn es ist nicht liberal, sondern totalitär, wenn nicht gar faschistisch, und zeugt eher von mangelndem Vermögen zur kritischen Selbstreflexion, wenn man meint dem anderen sagen zu müssen, was er zu glauben hat – und ansonsten glaubt, den Dialog verweigern zu dürfen.

Gottes- und andere religiöse Komplexe

Wer Homosexuelle erst akzeptieren kann, wenn auch sichergestellt ist, dass ihre Neigung Gottes Schöpfungswillen entspricht, hat meines Erachtens einen religiösen Komplex der gröberen Sorte. Der vergisst nämlich kurz gesagt, wo der Herrgott hockt. Oder wie Billy Graham (mit dem ich übrigens bei weitem nicht in allem einig bin – dem man aber trotzdem mal punktuell zustimmen darf) einst treffend sagte: „Es ist die Aufgabe des Heiligen Geistes zu überführen, Gottes Aufgabe zu richten und meine Aufgabe ist es zu lieben.“ Wenn wir meinen, darüber richten zu müssen, was richtig und was falsch ist, dann sollten wir wenigstens damit aufhören, uns liberal zu schimpfen.

Liberal ist, den Ist-Zustand des anderen zu akzeptieren und jeglicher Diskriminierung seiner Person zu wehren, ungeachtet der eigenen persönlichen Meinung dazu. Ob das Fragen des Glaubens, der sexuellen Ausrichtung, oder was auch immer betreffen mag. Und im christlichen Sinne meint es schlicht, den Nächsten in Liebe anzunehmen, mit ihm (oder ihr) unterwegs zu sein und für den anderen einzustehen. Ohne wenn und aber. 

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47 Kommentare
  • Ilja Renner
    Gepostet um 12:53 Uhr, 30. Juni

    Danke, danke, danke!

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  • Corinne Duc
    Gepostet um 13:05 Uhr, 30. Juni

    Ich finde es schade, dass jetzt einfach ein neuer Blog eröffnet wird.
    Im Beitrag von heute morgen ging es ja um die Erlebnisberichte von Menschen mit homosexueller Neigung in Freikirchen; dass sie nur toleriert wurden wenn sie sich ganz submissiv verhielten, dass einE homosexuelleR PredigerIn nicht sein darf, bzw. dass Homosexuelle, die offen zu ihrer Beziehung stehen, eben doch vor die Alternative gestellt werden entweder zu gehen oder so zu tun als wären sie nicht homosexuell.
    Hat das irgend etwas mit liberaler Haltung zu tun? Oder vielleicht doch eher mit Scheinheiligkeit? Und weshalb sollen Menschen mit diesbezüglich liberalerer Haltung so etwas gutheissen, oder gar fördern? Lohnt es sich da nicht vielmehr, sich für Frieden ud Freiheit zu engagieren?

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  • Carsten Ramsel
    Gepostet um 13:34 Uhr, 30. Juni

    Sehr geehrter Herr Wiesmann

    Ich habe Ihren Beitrag gerne und interessiert gelesen. Und Sie haben völlig recht damit, dass eine liberale Weltanschauung oder ihre politischen Grundsätze manchmal totalitär sind. (Das Wort faschistisch wird meines Erachtens zu inflationär verwendet.) Und das ist auch gut so!

    Liberalität ist nach meiner bescheidenen Meinung kein blosses laissez faire oder anything goes, sondern ist selbst positional und vertritt bestimmte ethische Werte und juristische Normen, die aus meiner heutigen Sicht unhintergehbar sind. Die freie persönliche Entfaltung des Individuums gehört z.B. dazu, ebenso die rechtliche Gleichstellung von Menschen egal welchen Geschlechts, sexueller Orientierung, Herkunft oder Religionszugehörigkeit sowie die körperliche Unversehrtheit aller Menschen oder die öffentliche, freie Meinungsäusserung und deren Widerrede. Die Liste ist nicht vollständig.

    Gerade das Recht auf eine öffentliche, freie Meinungsäusserung garantiert der Schweizerischen Evangelischen Allianz nämlich erst die Möglichkeit ihre Meinung frei und öffentlich kundzutun, ohne dafür Verfolgung oder Bestrafung zu erleben. Herrschten in der Schweiz Zustände wie zur Zeit der Kreuzritter, hätte man ihnen vielleicht einfach den Kopf dafür abgeschlagen. Als Liberaler verfüge ich dann allerdings auch auf das Recht der Meinungsäusserung der Schweizerischen Evangelischen Allianz öffentlich zu widersprechen. Und solange diese Meinungsäusserung als homophob zu erkennen ist, werde ich auch weiterhin sagen: „Solange ihr nicht so glaubt, wie wir das für richtig halten, seid ihr alle homophob.“ Das ist eben nicht totalitär (oder gar faschistisch) sondern liberal!

    Freundliche Grüsse
    Carsten Ramsel

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    • Michael Wiesmann
      Gepostet um 13:41 Uhr, 30. Juni

      Sehr geehrter Herr Ramsel

      Nein, liberal ist effektiv kein anything goes, da gebe ich Ihnen vollkommen recht – sondern fordert von uns eine aktive Form von Toleranz, die ich der Einfachheit halber gerne als „Akzeptanz“ bezeichne. Und ja, es ist Ihr gutes Recht, die SEA zu kritisieren und ihr zu widersprechen, wo Sie das als angezeigt empfinden. Das ist schliesslich auch eine Form des Dialogs. Bashing hingegen ist wieder ganz was anderes und gehört in die Ecke der Diskriminierung. Und genau darauf hab ich mit den selbsternannten liberalen Kreuzrittern abgezielt.

      Wenn sich die SEA klar zu Akzeptanz und gegen Diskriminierung von Homosexuelle stellt – wie sie das in der NZZ getan hat! – fällt es mir aber ziemlich schwer, das als homophob zu verstehen. Selbst wenn – was durchaus wahrscheinlich ist – einige Exponenten sowie Mitgliedskirchen eine Lehrmeinung vertreten, die mit derjenigen des BESJ vergleichbar ist, haben sie sich klar FÜR die Rahmenbedingungen einer liberalen Gesellschaft ausgesprochen. Und damit übrigens auch nach innen ein wichtiges Zeichen gesetzt.

      Wenn Ihnen das aber nicht reicht, weil Sie ein Problem mit (vermuteten) Lehrmeinung der SEA haben – dann ist das, mit Verlaub, Ihr Problem und nicht das der SEA. Das ist liberal gesehen dann nur konsequent.

      Beste Grüsse
      Michael Wiesmann

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    • Michael Wiesmann
      Gepostet um 15:45 Uhr, 30. Juni

      und als P.S.: Nein, den Glauben eines Menschen als homophob zu beschimpfen ist nicht liberal, sondern intolerant. Das als liberal zu bezeichnen darüber hinaus entweder ignorant (weil man sich des Übergriffs auf die Freiheit des anderen nicht bewusst ist) oder arrogant (weil man diesen Übergriff in Kauf nimmt, um die eigene Anschauung durchzusetzen). Wenn ein Mensch aufgrund seines Glaubens sich homophob verhält, dann kann man dieses Verhalten als entsprechend homophob kritisieren – aber der Glauben des Individuums selbst ist, strikt liberal gedacht, tabu. Frei nach Kant: Meine Freiheit endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Und in seinem Glauben und Gewissen muss der andere frei bleiben. Sein Verhalten jedoch, da kann man soziale Verträglichkeit erwarten. Und wo dem nicht so ist, kann das Verhalten an sich dementsprechender Kritik unterzogen werden.

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      • michael vogt
        Gepostet um 17:02 Uhr, 30. Juni

        wenn ich den glauben kritisiere, bleibt die freiheit gewährleistet. etwas anderes wäre der zwang. die frage, ob gewalt in der kritik ist.

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      • Carsten Ramsel
        Gepostet um 17:35 Uhr, 30. Juni

        Herr Wiesmann,
        ich möchte mich herzlich für Ihre Präzisierungen und Erläuterungen bedanken. Bei allem Ringen erkenne ich zumindest zwei Missverständnisse.

        Sie schrieben von „liberalen Kreuzrittern“. Es gibt für mich entweder Liberale oder KreuzritterInnen. Wer mit dem Eifer des Schwertes und sei es auch nur mit dem Schwert des Wortes dreinschlägt, kann keinE LiberaleR sein. Und so möchte ich meinen Beitrag auch nicht verstanden wissen. Dass es EifererInnen (ich vermeide aus Gründen der Höflichkeit harschere Worte) auf allen Seiten gibt, sei hier explizit mitgedacht.

        Zweitens schrieb ich „solange diese Meinungsäusserung als homophob zu erkennen ist“, die Betonung liegt hier auf s o l a n g e. Ich könnte daher die Veröffentlichungen der BESJ und die Distanzierung durch den SEA verwechselt haben oder ich habe Ihre Äusserung „einen Schritt in Richtung Öffnung zu gehen“ missinterpretiert, dass es innerhalb der SEA iliberale oder antiliberale Positionen gibt oder gab.

        Schliesslich stimme ich mit Ihnen darin überein, dass es dem Individuum in einer liberalen Gesellschaft frei steht zu glauben, was es möchte, und es frei ist, sein Handeln nach seinem Gewissen auszurichten. Nur wie schon bei der Meinungsfreiheit gehört zu dieser Glaubens- und Gewissensfreiheit, wenn sie öffentlich wird, auch die Kritik dieses Glaubens und des Gewissens.

        Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und verbleibe mit freundlichem Gruss
        Carsten Ramsel

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  • Corinne Duc
    Gepostet um 13:59 Uhr, 30. Juni

    Für mich bleibt jetzt doch die Frage, warum der Beitrag der Autorin von heute Morgen einfach verdrängt wurde. Wäre es nicht fairer, wie sonst üblich den LeserInnen Zeit bis am Abend (oder gar über mehrere Tage) zu geben, sich darüber Gedanken zu machen und zu diskutieren? Nach welchen Kriterien werden solche (manipulativen?) Eingriffe (von der Redaktion?) vorgenommen? Soweit mir bekannt ist, sind die im Blog von heute Morgen erwähnten Probleme noch lange nicht aus der Welt geschafft, auch nach all den beschönigenden Worten.

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    • Corinne Duc
      Gepostet um 14:00 Uhr, 30. Juni

      gemeint war natürlich: im aktuellen Blog des Tages

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    • Michael Wiesmann
      Gepostet um 14:29 Uhr, 30. Juni

      Liebe Frau Duc! Der andere Artikel wurde gestern (29.06.17) publiziert. Die einzelnen Artikel haben – wenigstens aus meiner Sicht als Autor – keinen direkten Bezug aufeinander, d.h. ich will die Fragen aus dem anderen Artikel von Sara Stöcklin mit meinem Artikel weder beantworten noch werden diese durch einen neuerlichen Artikel (in dem Fall von mir) marginalisiert. Die Artikel sind an zwei Tagen aufeinander gefolgt und stehen nebeneinander – und beleuchten so verschiedene Seiten einer Diskussion. MfG, Michael Wiesmann

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    • zhrefch
      Gepostet um 15:59 Uhr, 30. Juni

      Liebe Frau Duc – der Beitrag von Sara Stöcklin wurde bereits gestern publiziert. Die 3 letzten Beiträge handeln von einem ähnlichen Thema, beleuchten es aber jeweils aus einer anderen Perspektive, alle 3 Beiträge erscheinen uns wichtig und interessant. Es ist uns ein Anliegen, dass Themen möglichst breit diskutiert werden können und – insofern es sich um eine Aktualität handelt – auch möglichst zeitnah erscheinen. So könnte es durchaus sein, dass wir auch einmal schon nach 6 Stunden einen weiteren Beitrag posten – insofern es die Aktualität verlangt. Damit die Lesenden die Übersicht behalten und auch die anderen Beiträge zum ähnlichen Thema sehen, haben wir alle Beiträge miteinander verlinkt. Wir hoffen sehr, dass Sie sich mit dem gewählten Vorgehen anfreunden können :).

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      • michael vogt
        Gepostet um 17:13 Uhr, 30. Juni

        die anfrage von corinne duc finde ich berechtigt. das thema, das michael wiesmann bringt, ist ebenso berechtigt, aber die darstellung müsste logischer sein. das zitat von billy graham ist schlicht falsch. es ist jetzt tatsächlich so, dass der vorangehende beitrag durch aufwendige haarspaltereien verdrängt wird, die darauf beruhen, dass der beitrag in seiner systematik auseinanderfällt.

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        • michael vogt
          Gepostet um 17:20 Uhr, 30. Juni

          dh: es ist die eigenheit des beitrags, dass das zitat nach oben sinn macht und nach unten falsch ist. ich hätte den beitrag zurückgewiesen mit der aufforderung, genauer und elementarer zu schreiben, das besondere nicht – wenigstens dem anschein nach – gleich zu verallgemeinern.

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      • Corinne Duc
        Gepostet um 20:38 Uhr, 30. Juni

        Zuerst möchte ich höflich um Entschuldigung bitten für mein Versehen; und danken für die Hinweise auf vergangene Blogs zum Thema. – Da habe ich offenbar einiges verpasst.
        Aufräumen mit Biblizismus – das wäre doch wirklich ein würdiges Thema zur 500-Jahre-Reformationsjubiläum; und für jeden Tag darüber hinaus von Neuem. Denn Biblizismus macht Reformation zur Regression.
        Zu fragen wäre natürlich auch, weshalb wir immer wieder dazu neigen, uns an solche vermeintlichen Autoritäten zu klammern. Ist es der Wunsch nach Sicherheit; Ingroup-Anerkennung; oder gar das Bild von einer strafenden, angsteinflössenden Gottheit? – Daher unbedingt auch zu betonen: die Idee von der Liebe, Gnade und Treue (auch biblische Geschichten handeln manchmal davon;-).

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  • michael vogt
    Gepostet um 15:45 Uhr, 30. Juni

    in grundsätzlicher weise kann ich ihrer bestimmung des lieberal seins nicht zustimmen: wenn eine erwachsene person eine sexuelle beziehung zu einem kind eingeht, soll ich diese person anerkennen, aber zugleich versuchen, sie aufgrund der einsicht in das grosse risiko einer traumatisierung auf etwas anderes zu bringen. keine toleranz gegenüber intoleranz, keine anerkennung der nicht-anerkennung, gewalt. . . das kommt in Ihrem beitrag zu wenig heraus. die befreiung zur befreiender freiheit zeigt sich je nachdem auch in einem nein. dem besonderen anliegen Ihres beitrags stimme ich zu.

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  • Brigitte Hauser
    Gepostet um 15:56 Uhr, 30. Juni

    Sie wollen mit ihrem Blog die Sachlage auf den Kopf stellen. Fakt ist: Viele evangelikale ChristInnen und Kirchen behaupten in unterschiedlichen Nuancen und Abstufungen seit Jahr und Tag, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht ideal, makelhaft, sündig, krank, nicht von Gott gewollt seien. So was führte und führt zu Leid. Wenn man als Liberale dagegen Einspruch erhebt und nicht honoriert, dass offenbar die Allianz versucht in irgend einem Papier, Homosexuelle so ein bisschen irgendwie zu respektieren, finden Sie das totalitär. Auch ein bisschen homophob bleibt homophob.

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    • Michael Wiesmann
      Gepostet um 16:15 Uhr, 30. Juni

      Was genau stelle ich auf den Kopf? Ihr gewohntes Verständnis von liberal vielleicht? Es ist halt schon gemütlicher, sich auf dem „moral higher ground“ zu sonnen anstatt kritische Grundsatzfragen zu stellen.

      Ich befürworte diskriminierendes Verhalten in keiner Weise, das dürfte deutlich genug zum Ausdruck gekommen sein. Genau deshalb finde ich das Statement der SEA start: Weil es eine biblizistische Diskriminierung verwirft.

      Das Individuum darf glauben, was es will. Ob es gefällt oder nicht, zeitgemäss oder rückständig ist, begründet oder fragwürdig. Genau das meint Glaubens- und Gewissensfreiheit. Wer diese in Anspruch nimmt, muss aber zugleich bereit sein für dasselbe Recht des anderen – der vielleicht komplett anderer Auffassung ist – gegen Diskriminierung zu verteidigen.

      Eine Anschauung als homophob zu bezeichnen ist deshalb ziemlich eine undifferenzierte Angelegenheit. Ein Verhalten hingegen, das lässt sich klar beurteilen und allenfalls auch kritisieren. Da spricht nichts dagegen, aber vieles dafür. Aber die pseudoliberale Forderung zur Gleichschaltung von Anschauungen und Meinungen ist eine Form von Fundamentalismus, der sich direkt gegen den Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit richtet und somit eigentlich staatsfeindliche Tendenzen hat. Das klingt jetzt vielleicht etwas übertrieben – aber auch eine „liberal“ geschmückte Diktatur ist eine Diktatur.

      Wer seine eigene Freiheit liebt, sollte bereit sein, die des anderen zu verteidigen. Auch wenn einem dessen Meinung nicht passt.

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      • Brigitte Hauser
        Gepostet um 18:05 Uhr, 30. Juni

        Der Glaube löst zuweilen problematische, diskriminierende und gewalttätige Verhaltensweisen aus. Und die Glaubens- und Religionsfreiheit kollidiert zuweilen mit anderen Prinzipien. Die Rechte und die Freiheit von Homosexuellen beispielsweise werden von extrem vielen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften weltweit mit Füssen getreten.

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 16:10 Uhr, 30. Juni

    Grad heute Morgen wurde im deutschen Bundestag der Ehe für alle zugestimmt. Schauen wir wenigstens als Staat nach vorn und setzen dieses Zeichen auch! Das wäre echt liberal.

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    Antworten
  • Manuel Schmid
    Gepostet um 18:04 Uhr, 30. Juni

    2014 gewann der Travestiekünstler Conchitta Wurst mit schwarzem Bart, Abendkleid und High-Heels den Eurovision Song Contest. Am Tag danach wurden im ZDF Studiogäste gefragt, wie ihnen der Auftritt der bärtigen Frau gefallen habe, und eine junge Frau meinte vorsichtig, sie habe den Anblick ein wenig verstörend empfunden. Die Moderatorin verfiel daraufhin beinahe in Schnappatmung und wies den Gast forsch zurecht: »Wir schreiben das Jahr 2014! Ein homosexueller Mann, der sich als Frau verkleidet, ist NICHT verstörend!«

    Diese Begebenheit steht für ein Phänomen, das ich gegenwärtig immer häufiger beobachte: Es geht in unserer postmodernen Toleranzgesellschaft nicht mehr einfach darum, Menschen mit den unterschiedlichsten weltanschaulichen, religiösen oder sexuellen Ausrichtungen als vollwertige Teilhaber des öffentlichen Lebens anzuerkennen, für ihre Rechte zu stehen und ihre Benachteiligung zu ahnden – es geht darum, alle möglichen und unmöglichen Lebensentwürfe auch persönlich gut finden zu müssen und mit den richtigen Gefühlen darauf zu reagieren.

    Das finde ich nicht nur schwierig, sondern buchstäblich unmöglich. Ich kann nicht oder zumindest nicht unmittelbar beeinflussen, wie etwas auf mich wirkt. Und ich kann mich auch nicht oder zumindest nicht unmittelbar aus dem Wertegefüge und den moralischen Intuitionen herauslösen, mit denen ich aufgewachsen bin und die sich mir als tragfähig erschlossen haben. Ich schreibe das als jemand, der längerfristig (!) durchaus radikale Veränderungen der »ethischen Matrix« durchgemacht hat – und als jemand, der jede Geringschätzung und Diskriminierung von Andersdenkenden und Anderslebenden entschieden ablehnt.

    Aber wenn von christlichen Gemeinschaften mit bürgerlich-konservativer Formatierung (zumindest implizit) gefordert wird, Andersdenkende und Anderslebende nicht nur vorbehaltlos in ihren persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten und öffentlichen Rechten anzuerkennen, sondern sie darüber hinaus auch persönlich »abzusegnen« bzw. »biblisch« zu rechtfertigen, dann kippt m.E. die Toleranzforderung in eine Meinungsdiktatur um. Und dann wird auch mehr verlangt, als nötig ist. Man muss Homosexualität nicht »richtig« oder »biblisch« finden, um sich für die Rechte Homosexueller stark zu machen und ihnen persönlich wertschätzend und liebevoll zu begegnen, genausowenig wie man den Islam oder den Vegetarismus »richtig« finden muss, um sich für die Freiheit seiner Vertreter entsprechend einzusetzen.

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    • Michael Wiesmann
      Gepostet um 20:03 Uhr, 30. Juni

      Lieber Herr Schmid! Sie sprechen mir aus dem Herzen. Beste Grüsse, Michael Wiesmann

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      Antworten
    • Christof Bauernfeind
      Gepostet um 21:11 Uhr, 30. Juni

      Absolut richtig Herr Schmid! Mann könnte es vielleicht auch als eine „Diktatur der Harmonie“ bezeichnen. Das ist sehr gefährlich. Denn dahinter steht die Annahme, dass ich alles atuomatisch bekämpfe, was ich nicht persönlich gut finde. Ich muss aber zum Beispiel den Islam ganz und gar nicht „gut“ finden, wenn ich mich für Religionsfreiheit einsetze, die natürlich auch dem Islam gilt. Die heutige Denke geht so (vereinfacht gesprochen): Wenn etwas Negatives zum Islam sagt, muss man an „Islamophobie“ erkrankt sein und ist deshalb als „intolerant“ zu brandmarken. Dabei besteht die Toleranz ja gerade darin, dass ich mich für Religionsfreiheit einsetze, OBWOHL ich im Glaubenssystem des Islam vieles gar nicht unterstützen kann. Erst so wird ein Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft möglich, denn es wird darin immer andere Lebenskonzepte geben die mir nicht passen.

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      • Corinne Duc
        Gepostet um 00:08 Uhr, 01. Juli

        „Wenn etwas Negatives zum Islam sagt“ – damit meinten Sie sicher begründete Kritik imfairen Rahmen. Damit sind liberalerweise wohl alle einverstanden.
        Wenn es aber um die Kritik an in evangelikalen Kreisen verbreiteten, diskriminierenden Praktiken geht, heisst es plötzlich wieder, das sei illiberal…?

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        • Christof Bauernfeind
          Gepostet um 09:16 Uhr, 01. Juli

          Begründete Kritik im fairen Rahmen sollte grundsätzlich immer möglich sein. Egal wo, und an wem.

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          Antworten
    • Brigitte Hauser
      Gepostet um 09:20 Uhr, 01. Juli

      Geschenkt. Um im Alltag miteinander klar zu kommen reicht es aus, sich gegenüber Homosexuellen nicht diskriminierend zu verhalten. Gesinnung egal. Finden Sie aber ernsthaft, beispielsweise eine Jungschar, die auf der Gesinnungs- und Glaubensebene Homosexualität ablehnt, sei ein guter förderlicher Ort für junge Homosexuelle?

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      • Michael Wiesmann
        Gepostet um 09:48 Uhr, 01. Juli

        nö, eher nicht. aber das sind partikulare interessensgemeinschaften. wenn sie nicht dieselben interessen und meinungen vertreten, gehen sie nicht hin. jemand, der hasen nicht mag, wird kaum einem chüngelizüchter-verein beitreten. und in einem veganen restaurant beklag ich mich nicht darüber, dass es kein fleisch gibt. anders gesagt: partikulare gruppen dürfen in einer liberalen, pluralistischen gesellschaft „werte“ vertreten, mit denen sie halt dann unter sich bleiben. parteien tun dies übrigens auch… wenn sie die haltung des besj nicht ok finden (ist ja ihr gutes recht), dann schicken sie ihr (homosexuelles) kind nicht hin.

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        • Barbara Oberholzer
          Gepostet um 10:10 Uhr, 01. Juli

          Dann versteh ich aber, dass es dafür auch keine staatlichen Fördergelder geben soll. Die sollen an Vereine etc. fliessen, in denen niemand wegen seiner/ihrer sexuellen Ausrichtung in Frage gestellt wird.

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          • Michael Wiesmann
            Gepostet um 11:54 Uhr, 01. Juli

            wer fördergelder will, sollte seine partikuläre haltung überprüfen, das sehe ich auch so…

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          • Michael Wiesmann
            Gepostet um 12:56 Uhr, 01. Juli

            wobei: auch da ist es heikel. j+s hat klare auflagen, die zu erfüllen sind. solange diese ergüllt sind, muss man sich fragen, ob so eine gesinnungs-gestapo nicht selbst diskriminierend ist.

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          • Corinne Duc
            Gepostet um 13:26 Uhr, 01. Juli

            es geht, wie oben hoffentlich bald zur genüge erörtert, nicht um „gesinnungsgestapo“, sondern um einhaltung der Nichtdiskriminierungsgebote und weiterer menschenrechtlicher grundforderungen, zumal wenn es staatliche subventionen geht. oder würden sie es begrüssen, wenn gruppierungen, die einen vorrang von scharia gegenüber grundrechten propagieren, öffentliche fördergelder erhielten – hier in der schweiz, notabene, nicht in saudi-arabien. eine förderung diskriminierender tendenzen steht für mich im widerspruch mit der aufgabe des staates, die grund- und menschenrechte zu schützen. es wirkt doch irgendwie pervers, einerseits vorzugeben, sich für fairness und grundrechtsschutz einzusetzen, und gleichzeitig gruppierungen zu unterstützen, die dem entgegengesetzte grundsätze vertreten?

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          • Michael Wiesmann
            Gepostet um 13:37 Uhr, 01. Juli

            @Frau Duc: solgange die gruppen sich als partikuäre interessensgemeinschaften verstehen (vgl. chüngelizüchter-verein) dürfen die relativ vieles glauben und für richtig und falsch halten, was ihnen oder mir nicht passt, ja. was sie nicht dürfen, ist zb zur verfolgung andersdenkender aufrufen. aber da sitzen offensichtlich viele „liberale“ im glashaus.

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          • Corinne Duc
            Gepostet um 14:05 Uhr, 01. Juli

            es geht, muss heute hoffentlich nicht mehr wiederholt werden, nicht darum ob die ansichten der chüngelizüchter etc. uns passen oder nicht, solange die menschen oder chüngeli nicht menschen- bzw. tierverachtend, erniedrigend, diskriminierend behandelt werden. andernfalls, da werden sie mir hoffentlich beipflichten können, soll man nicht einfach wegschauen.
            was unsere evangelikalen freunde betrifft: offenbar haben viele noch nicht genügend getan, um das vertrauen darin, dass homosexuelle jugendliche in diesen gruppen nicht weiter diskriminierenden erniedrigungen ausgesetzt werden, zu stärken, und zu zeigen, dass homosexuelle die gleichen rechte und chancen erhalten. wenn ein privater verein das gar nicht will, ist das zwar sein recht, aber dann soll er sich nicht wundern dass er in die schlagzeilen gerät, wenn er dafür auch noch staatliche subventionen beantragen will.

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      • Manuel Schmid
        Gepostet um 22:18 Uhr, 01. Juli

        @Brigitte Hauser & @ Corinne Duc:

        Nein, wenn es um wirkliche Diskriminierungen geht, dann bin ich ganz bei Ihnen: Das muss schonungslos kritisiert werden – und von mir aus kann man dann auch von »Homophobie« sprechen (ich halte den Ausdruck zwar für problematisch, weil er die Phänomene psychologisiert: er unterstellt den Tätern eine krankhafte Angst (phobie) vor dem, was sie diskriminieren – das muss aber mitnichten der Fall sein. Die Bandbreite an Motiven für diskriminierendes Verhalten ist grösser, und die Pathologisierung der Täter trifft längst nicht immer ins Schwarze…). Dass solches in evangelikal-freikirchlichen Kreisen immer wieder geschehen ist und geschieht, brauchen Sie mir nicht zu erzählen – ich bewege mich in diesem Milieu, und ich habe schon Homosexuelle erlebt, die im seelsorgerlichen Gespräch mit mir zusammengebrochen sind, weil sie die Ausgrenzungen, Verurteilungen und Anfeindungen in ihren konservativen Gemeinschaften nicht mehr ertragen konnten. Solche Behandlung kann man nur verurteilen – allerdings nicht nur im Namen einer toleranten Gesellschaft, sondern vor allem im Namen der Menschenliebe Gottes, die sich uns in Jesus Christus gezeigt hat.

        Aber ich habe eben auch anderes erlebt. Evangelikal-freikirchliche Pastoren und Leiter, die sich unermüdlich dafür eingesetzt haben, dass Homosexuelle in ihren Gemeinschaften ein Zuhause finden, dass sie nach ihren Gaben mitarbeiten können und als vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft geachtet werden, ja, die sich öffentlich für sie stark gemacht haben und jede Diskriminierung an ihnen verurteilten – die sich aber aufgrund ihrer Lesung der Bibel und ihres Verständnisses christlicher Ethik (noch?) nicht frei fühlten, homosexuelle Partnerschaften als »biblische« Option zu sanktionieren und diese öffentlich zu segnen. Diese Grenze des Gewissens bzw. des Glaubensverständnisses wurde ihnen zum Verhängnis – sie wurden öffentlich als verurteilend, rückständig, »homophob« verunglimpft und zur Zielscheibe hetzerischer Artikel in Gratiszeitungen. Es war eben nicht genug, dass sie Homosexuellen wertschätzend und wohlwollend gegenübertraten – sie hätten ihre Orientierung und Lebensweise auch persönlich »richtig« und »biblisch« finden sollen…

        Letztlich geht es m.E. darum, ob wir den im Toleranzbegriff enthaltenen Differenzaspekt ernst nehmen: Toleranz wird per Definition erst gegenüber dem Anderen, Fremden, Gegensätzlichen notwendig. Wenn einem aber nicht mehr zugestanden wird, etwas anders, fremd oder auch gegensätzlich zu finden, wenn man vielmehr unter den Zwang gerät, alles als das Eigene, Vertraute, Übereinstimmende begrüssen zu müssen, dann wird Toleranz damit eigentlich nicht gefördert, sondern erübrigt.

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        • Christof Bauernfeind
          Gepostet um 23:19 Uhr, 01. Juli

          Das ist ein sehr hohes Ideal des Zusammenlebens. Man würde es sich wünschen, dass dieser Level an gegenseitigem Respekt unter uns Menschen hochgehalten würde. Aber ob das in der Praxis, in einer realen Gemeinschaft von Menschen, die miteinander unterwergs sind, die Glauben und Leben teilen auf Dauer funktioniert ist die Frage. Irgendwann wird die Differenz zur Hypothek.
          Trotzdem: Es ist das Ideal der christlichen Ethik, die uns in Jesus Christus begegnet: Ich liebe dich nicht weil…! Ich liebe dich trotz…!

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        • Corinne Duc
          Gepostet um 08:51 Uhr, 02. Juli

          priester müssen manchenorts mit drakonischen massnahmen rechnen, wenn sie nur schon ein gleichgeschlechtliches paar segnen…. es wird stets noch vieles zu tun bleiben, damit menschen, die irgendwie anders wirken fair behandelt und „als vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft geachtet“ werden.

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        • Brigitte Hauser
          Gepostet um 09:57 Uhr, 03. Juli

          Lieber Herr Schmid
          Sexuelle Orientierung ist nicht verhandelbar. Hingegen sei es Ihnen unbenommen, den Fernseher abzuschalten, wenn Conchita Wurst läuft. Auch Ihre Brötchen dürfen Sie beim Bäcker mit der sexuellen Orientierung Ihrer Wahl kaufen. Hingegen müssen Sie in der Volksschule eine lesbische Lehrerin für Ihre Kinder akzeptieren. Sie würden sicher auch Ihren geplatzten Blinddarm vom Dienst habenden schwulen Doktor flicken lassen.
          Aber Sie würden wohl kaum Mitglied einer Kirche sein wollen, die Ihre sexuelle Orientierung als Makel einstuft und Ihre Partnerschaft als nicht gleichwertig und defizitär. Wenn eine Kirche ein guter gesunder Ort für homosexuelle Menschen sein will, reicht der „Dreh“ wertschätzend behandeln, aber nicht vorbehaltlos akzeptieren eben nicht. Mit diesem „Dreh“ vor die Medien zu treten und zu behaupten man sei nicht homophob, wirkt wenig überzeugend. Es wäre ehrlicher, in einer Medienmitteilung zu schreiben, man sei eine Kirche nur für heterosexuelle Menschen und diese Teilnahmebedingung in seinen AGB’s festhalten. Wenn eine Kirche sich entscheidet, ein guter gesunder Ort für homosexuelle Menschen zu sein, wird sie nicht umhin kommen, ihre Theologie zu reformieren.

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          • Christof Bauernfeind
            Gepostet um 14:38 Uhr, 03. Juli

            Liebe Frau Hauser

            Sie suggerieren hier jetzt schon wieder, als ob „Evanglikale“ ein persönliches Problem mit Homosexuellen hätten. Das ist grundsätzlich (man kann nie für alle sprechen) einfach falsch. Es ist auch kein „Dreh“ dahinter, wenn freikirchliche Christen Homosexuelle wertschätzend behandeln. Das ist ehrlich, aufrichtig und von Herzen gemeint! Ob sie es glauben oder nicht. Darum ist dieser Begriff „Homophobie“ auch nicht zutreffend.
            Evangelikale (dieser Begriff ist ebenfalls problematisch) wehren sich aber gegen eine Theologie der Beliebigkeit. Sie halten ihre Glaubensgrundsätze hoch und halten sich auch selbst daran. Sie glauben auch, dass ihre erste Identität im Leben nicht von ihrer Sexualität abhängt, sondern von ihrer Gotteskindschaft, in der alle Menschen gleich sind. Dadurch, dass sie sich ihrer eigenen Fehlerhaftigkeit sehr wohl bewusst sind, weil sie das Thema „Sünde“ nicht tabuiisieren, sich aber dennoch von Gott geliebt und angenommen wissen, können sie das für andere Menschen annehmen.
            Ich glaube auch, dass es zum Thema Homosexualität noch etwas zu tun gibt. Aber hören Sie mal auf damit, Freikirchlichern immer böse Hintergedanken zu unterstellen, bloss weil sie nicht zu allem Ja und Amen sagen. Das trifft es einfach nicht.

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          • Corinne Duc
            Gepostet um 22:26 Uhr, 03. Juli

            Die meisten nehmen durchaus an, dass es die Evangelikalen eigentlich ja gut meinen, auch mit den Homosexuellen. Aber auch, dass sie trotzdem ein „persönliches Problem“ mit den Homosexuellen haben, solange sie daran glauben, dass Homosexualität für den Ollen ein derartiger Greuel sei, dass die „““Schuldigen“““ dafür „sollen gewißlich getötet werden, ihr Blut ist auf ihnen“ (Lev. 20,13 ELB).

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  • Brigitte Hauser
    Gepostet um 08:19 Uhr, 04. Juli

    Lieber Herr Bauernfeind oder eher liebe Reformierte.
    Die Freikirchen an sich sind mir egal. Mich stört nur, wenn man herablassende Barmherzigkeit als homosexuellenfreundlich verkauft. Ich halte übrigens auch nichts vom sogenannten Regenbogenpastoral der katholischen Kirche. Zuerst diskriminiert man LGBT und dann gibt man ihnen eine Sonderspielwiese. Lustiges Zielgruppenmarketing. Aber item. Und natürlich stört mich die Geschichte des Leids und der Bedrängnis von Homosexuellen im Namen des Christentums, auch weltweit. Gibt es da gross Einspruch der schweizer Kirchen? Die Reformierten, die sich jetzt auf die Schultern klopfen – mit wenig Grund wie ich finde – lösten bei mir den grösseren Nervfaktor aus. Ich erinnere nur an die Neunziger. Unermüdlich wurde der kategoriale prinzipielle Unterschied zwischen diesen Fürbittefeiern für sogenannt Homophile und richtigen Trauungen betont. Man diskutierte im Ernst darüber, ob da gleich viele Kirchenglocken läuten sollen. Man machte sich über lesbische Pinguine und schwule Wanderameisen schlau, um die Natur zu befragen. Man kümmerte sich mit Zärtlichkeit und hunderten von Seiten Handreichungen um die einschlägigen Bibelstellen Anstatt mal zu sagen: Die Bibel ist ein Spiegel der Menschen wie Facebook. Da steht neben allerlei Perlen auch viel Quatsch drin. Lebendige Homosexuelle waren vor allem Problemthema und Hindernis für die Ökumene. Man wollte auch nie irgendwelche Gefühle von Konservativen verletzen. Wenn es bei Pfarrwahlen zu Diskriminierungen kam, versteckte man sich hinter der Gemeindeautonomie. Noch nicht lange her, all das. Reformierte Überheblichkeit ist wirklich fehl am Platz.

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    • Michael Wiesmann
      Gepostet um 08:23 Uhr, 04. Juli

      Liebe Frau Hauser! Auch wenn ich nicht mit allen Ausführungen Ihrerseits einig gehe, danke ich Ihnen für die illustrative Darstellung des reformierten (und landeskirchlichen) Glashauses. Solche (selbstkritischen) Gedanken erscheinen mir hilfreicher und vielversprechender als „Liberalismus“, welcher andere aus dem Diskurs mit Verweis auf die eigene moralische Überlegenheit ausschliesst. Herzlich, Michael Wiesmann

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  • Corinne Duc
    Gepostet um 08:48 Uhr, 05. Juli

    Hallo Herr Wiesmann
    wer wird hier „aus dem Diskurs mit Verweis auf die eigene moralische Überlegenheit“ ausgeschlossen?
    Und unter „Liberalismus“ werden tatsächlich sehr verschiedene Haltungen oder Doktrine verstanden, je nach eigenem Standpunkt…. wollen Sie uns mal erklären was Sie unter Liberalismus verstehen?

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    • Michael Wiesmann
      Gepostet um 09:54 Uhr, 05. Juli

      Liebe Frau Duc. Genau das habe ich in meinem Text getan: Mein Verständnis von „liberal“ dargelegt, und zwar u.a. beispielhaft am Statement des SEA. Liberal sein heisst, die andere Meinung/Anschauung/Lebensweise zu akzeptieren und deren Diskriminierung zu wehren – ungeachtet der eigenen Meinung zum konkreten Sachverhalt. Damit ist die Freiheit beider Parteien gewährleistet. Und genau das meint liberal: Dass die Freiheit des anderen genauso gewährleistet sein muss wie die meine. Denn meine Freiheit endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt (frei nach Kant). Alles andere ist nicht liberal, sondern entweder unreflektiert (weil die Freiheit des anderen nicht in Betracht gezogen wird) oder arrogant (weil sie bewusst überschritten wird). Der/die andere darf denken, was er/sie will – solange mir dasselbe Recht zugestanden wird. Ein „Gesinnungszwang“ (i.e. eine Gleichschaltung dessen, was man gefälligst für richtig und/oder gut zu halten hat) ist dementsprechend nicht liberal, sondern faschistoid (oder wenigstens ziemlich kindisch).

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  • Brigitte Hauser
    Gepostet um 10:28 Uhr, 05. Juli

    Liebe Herren Wiesmann, Schmid und Bauernfeind
    ich anerkenne, dass es in freikirchlichen Kreisen Versuche gibt, Homosexuelle nicht zu diskriminieren. Dafür macht man einen Homo-Relativismus-Spagat. Im pragmatischen Sinn von ersten Schritten kann ich das nachvollziehen. Diesen Spagat machen bis jetzt auch die Reformierten, zum Beispiel mit der Kategorie der Fürbittefeiern oder die Schweiz mit dem Institut der eingetragenen Partnerschaft. Die philosophische Begründung gegen Homorelativismus fasst Philipp Tingler heute im Tagi Blog zusammen.

    Tingler zitiert den Philosophen Slavoj Zizek, der sich gegen den Kulturrelativismus bekennt und zum Primat aufgeklärter Werte. Gleichstellung sei undenkbar ohne das cartesianische Subjekt, ohne die Anerkennung der Würde jedes einzelnen Menschen, frei und gleich und selbstbestimmt. Kant würde sagen: Gleichstellung ist ein Gebot der Vernunft. Zizek sagt: Das Cogito hat kein Geschlecht und Tingler fügt hinzu: Und keine sexuelle Orientierung.

    Natürlich ist jede Kirche frei, sich nicht um diese Sicht der Dinge zu kümmern. Viele Christ*innen in der westlichen Welt betonen jedoch gern, dass aufgeklärte Werte und Menschenrechte auf dem Boden des Christentums erwachsen sind.
    Mit herzlichem Gruss

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    • Christof Bauernfeind
      Gepostet um 20:40 Uhr, 05. Juli

      Liebe Frau Hauser

      ich habe gerade mal den Beitrag von Tingler gelesen. Darunter schreibt ein Kommentator. „damit wir nicht weiter im Hintertreffen sind; ab wann sollten wir denn wirklich ALLE beziehungsmöglichkeiten (kinder, mehrehen, etc) öffnen und wieso nicht schon jetzt auch zusammen mit der ehe für alle (eben wirklich alle)?“ Das ist genau der Punkt: was radikal „frei, gleich und selbstbestimmt“ ist, das kümmert sich nicht um Ehen, es kümmert sich nicht um veralteten Bünde, Die „Ehe für alle“ ist schön, als Schritt der offziellen Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, aber wir werden sie wahrscheinlich schneller wieder hinter uns lassen, als wir denken. Wenn ein Mensch sich nur von seiner Selbstbestimmung leiten lassen will, dann gibt es grundsätzlich keine Grenzen für ihn. Ich kann Ihre Gedanken sehr gut nachvollziehen und ich sie sind mir grundsätzlich auch sympathisch, denn ich bin für Freiheit und glückliche Menschen. Aber ich habe ein anderes Menschenbild. Ich glaube nicht an das Glück durch unbegrenzte Freiheit, denn wir sind begrenzte Wesen.

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      • Corinne Duc
        Gepostet um 21:42 Uhr, 05. Juli

        Lieber Herr „Bauernfeind“
        Es geht ja ohnehin um ein humanistisches und (wenigstens „minimal-) moralisches“ Menschenbild (d.h. eines, das die mehr oder minder allgemein anerkannten Grundwerte, Menschenrechte und Menschenwürde hochhalten oder mindestens damit kompatibel sein soll). Damit ist schon klar, dass es sich nicht um irgendetwas völlig beliebiges handeln kann. In unserer Kultur besteht Konsens darüber, dass Ehe eine partnerschaftliche Beziehung zwischen zwei erwachsenen Personen und auf freiwilliger Basis begründet sein soll. Wenn wir diese liberale Kultur schützen wollen, müssen wir nicht die (Ein-) „Ehe für alle“ befürchten, noch gleichgeschlechtliche Elternpaare, sondern quasi-religiöse Fundamentalismen und die damit verbundenen Verluste an humanistischen Errungenschaften und Werten sowie der damit zusammenhängenden aufgeklärten Denkweisen. „quasi-religiös“: weil hier „Religion“ vermutlich weitgehend als Mittel zum Zweck der Durchsetzung partikulärer Interessen benutzt wird.

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        • Christof Bauernfeind
          Gepostet um 14:47 Uhr, 06. Juli

          Liebe Frau Duc
          tut mir leid, ich heisse wirklich so. Die Deutschen habe manchmal so komische Namen. Jetzt die Institution „Ehe“ quasi als eine Errungenschaft des liberalen Humanismus darzustellen, ist natürlich schon etwas sehr eigenwillig interpretiert. Sie ist ja nun schon ein bisschen älter. Aber das nur nebenbei. Vielleicht haben Sie Recht und die „Ehe für alle“ ist nun der Weisheit letzter Schluss und für alle Zeiten so in Stein gemeisselt. Vielleicht ist sie aber auch nur ein Schritt weiter auf dem Weg der Liberalisierung der Beziehungsformen. Ich will dazu eigentlich nur noch eins sagen: „time will tell“.

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          • Corinne Duc
            Gepostet um 18:05 Uhr, 06. Juli

            Lieber Herr Bauernfeind (sorry – nun also ohne Anführungszeichen)
            mir ging es keineswegs darum, Einehe als Erfindung der Aufklärungszeit anzupreisen. Solches gab sicher schon viel früher, z.B. auch bei den alten Kelten, wiewohl, ebenso wie bei den alten Hebräern, vor allem bei reichen Exemplaren auch Vielehe möglich war.

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