Osterwunder

Mit Wundern ist das so eine Sache. Als Kind fand ich das, was an Ostern wunderbar sein soll, gar nicht so verwunderlich. Heute finde ich meine damalige kindliche Naivität etwas Wunderbares. Dass an Ostern der gute Papa-Gott seinen Sohn dann schlussendlich doch nicht im Stich lässt, sondern ihn aus dem Totenreich auferweckt und ihn an Auffahrt zu sich holt, war eine Genugtuung für das eigene Gerechtigkeitsempfinden.

Heute mag ich diese Bildwelt immer noch. Trotzdem ist es nicht mehr das selbe. Es ist, wie wenn ich den „auferstandenen Christus“ von Rembrandt anschaue: Der Blick des Auferstandenen berührt mich. Aber nicht mehr unmittelbar. Ich denke dann an den Künstler, an seine Vorstellungswelt, die ihn dieses Portrait hat schaffen lassen und spüre, wie weit seine realistische Vorstellungswelt von meiner Lebenswelt entfernt ist und merke deutlich, dass ich diese Insel nicht mehr bewohnen kann. Ich kann nicht ins Bild, ich bleibe auf der Metaebene.

Genau von da aus möchte ich aber verstehen, was Ostern bedeutet. Unter denen, für die ein wiederbelebter Jesus ein schwieriges Bild und keine historische Wahrheit ist, neigen viele zur Interpretation, dass die Auferstehung eine Art Macht sei, die sich darin zeigt, dass Menschen wieder aufstehen, Kraft finden und trotz allem, was ihre Träume und Visionen tötet, weiter machen können. Aber ich – gleichwohl der Ostermorgen und das leere Grab mir nicht ins Bild passen – mag mich damit nicht zufrieden geben.

Das scheint mir dann doch zu flach. In vielem finde ich Hoffnung. Sicher brauche ich dafür aber keine grausame Hinrichtung mit Happy End. Aber vielleicht ist das ja das wunderbare an Ostern: Dass es kein Ende ist, weil auch der Karfreitag keinen Schlusspunkt zu setzen vermochte. Jesu Tod war kein Ende, sondern ein Impuls der mächtige Energien freigesetzt hat: Sein Leben wurde vergemeinschaftet, weitergetragen, gefeiert – kurzum: Es wurde auf viele Schultern verteilt, was der gescheiterte Messias nicht tragen konnte.

Wurde diese Jesus-Community Opfer eines kollektiven Verdrängungsprozesses oder ist das Christentum das Resultat eines trotzigen „Jetzt erst recht!“ im Jünger*innen-Kreis? Das Christentum von der Wurzel an eine Projektion? Kann alles sein, wer weiss das schon. Ich stelle mir das aber anders vor. An der Stelle des für mich bildlos gewordenen leeren Grabs steht die Trauergemeinde Jesu, die – weit entfernt von einem trotzigen „erst recht“ oder einem aktivistischen „Dann bringen wir zu Ende, was er angefangen hat!“ – merkt, dass sich in ihr Sinn ereignet: Refraiming. Nicht weil es nicht anders kommen konnte. Nicht weil in den alten Schriften ja genau das angekündigt war. Nicht weil Gottes Heilsplan das nun mal so vorherbestimmt hat.

Vielleicht haben sie gespürt, wie sehr sie sich brauchen, wie sie sich tragen können, wie da Hoffnung ist, wo sie zusammen sind. Vielleicht haben sie verstanden, dass sie Kinder Gottes sind auch wenn der Messias weg ist. Und vielleicht konnten sie auf Gottes Reich hoffen, weil sie in ihrer bodenlos gewordenen Trauerwelt erlebt haben, dass Hingabe in dieser Welt für sie alle den Unterschied macht.

Und vielleicht ist das die Erfahrung, die sich in der Verheissung „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ ausdrückt. Es wäre wirklich wunderbar.

Die Meinung des Autros in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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8 Kommentare
  • michael vogt
    Gepostet um 08:46 Uhr, 01. April

    guten tag herr jütte, und einen schönen ostertag! vielleicht meinen Sie den http://sander-gaiser.de/ru/bilder/aufersth/b3-61.jpg – sympahisch. habe mich in diesem zusammenhang schon mal verschrieben. assoziation h. jesus ist „höher“ als seine darsteller in filmen, anders auch als gemalt. habe noch nie ein bild von ihm gesehen, das mich wirklich überzeugt. und doch immer wieder ein „aha, vielleicht mehr so“, ein korrektiv seines bildes, das vielleicht doch auch in mir existiert. die auferweckung ist die erlösung vom bild. den auferstanden christus kann man sehen. nicht als vostellung. nicht als bild. zwar kann er sich auch als solche offenbaren. muss aber nicht sein. Ihr gerechtigkeitsempfinden teile ich. aber ich könnte nicht sagen, dass ich „keine grausame hinrichtung“ brauche. für mein gerechtigkeitsempfinden ist es schwer enttäuschend, dass die welt derart grausam ist. der wandel geschieht erst dadurch, dass der urheber durch sein empathisches verhältnis zu seinem gesandten selbst davon getroffen wird. er ist mit jesus gekreuzigt und wird zugleich immer vollkommenere erleuchtung. mag ich nicht mehr, mag ich dann wieder. das geheimnis besteht darin, das geheimnis nicht zu reduzieren. auferweckung heisst, dass wir wieder aufstehen, dass jesus oder andere verstorbene in unserer erinnerung, in unserem leben weiterleben – aber nicht nur. sie haben – ganz elementar gesagt – auch etwas davon. sie existieren nach ihrem tod ähnlich wie vor ihrem tod. dialogisch zb. er – um auf den heute gefeierten zurückzukommen – kann reden. was er heute sagt, finde ich interessanter, als was er damals gesagt hat. das leben ereignet sich selbst. wir machen es nicht. weder im guten noch im bösen. es kann sehr belastend sein, ermöglicht uns aber zugleich in dieser belastung zu leben, indem es sich selbst belastet – und entlastet. was im neuen testament als auferweckung erscheint, geschieht schon immer und wird vollständiger erkennbar und erfahrbar durch seine vereinigung mit seinen andern erscheinungsformen. ich lege gar nicht so sehr wert darauf, dass e r mitten unter uns ist, sondern dass sie alle dies sind.

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    • Stephan Jütte
      Gepostet um 10:00 Uhr, 01. April

      Lieber Herr Vogt,
      herzlichen Dank für diese schönen gedanken! Heute nehme ich mit, dass das, was er heute sagt, wichtiger ist. Herzliche Ostergrüsse!

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 09:19 Uhr, 01. April

    „Und vielleicht konnten sie auf Gottes Reich hoffen, weil sie in ihrer bodenlos gewordenen Trauerwelt erlebt haben, dass Hingabe in dieser Welt für sie alle den Unterschied macht.“
    Spannend und mutig, dieser Beitrag! Einiges darin empfinde ich auch als etwas „flach“. Doch müssen nicht alle unsere Interpretationen von Ostern das wohl bleiben? Der obige Satz aber versetzt mich mitten „ins Bild“. Da wird es Ostern für mich. Danke!

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    • Stephan Jütte
      Gepostet um 10:01 Uhr, 01. April

      Liebe Barbara,
      merci, ich wünsche dir ein fröhliches Osterfest!
      Herzlich, Stephan

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  • Jürg Hürlimann
    Gepostet um 10:41 Uhr, 01. April

    Für Maria von Magdala war das Grab leer und war Jesus auferstanden, ebenso für diejenigen, denen sie, die Apostelin der Apostel, ihr Erlebnis erzählte und die ihr glaubten. Dasselbe lässt sich auch für die Menschen sagen, denen Jesus auf dem Weg nach Emmaus und dort begegnete. Der Glaube an die Auferstehung hat sich gehalten, nun bereits knapp 2000 Jahre. Diese Auferstehung ist eine Realität. Vermutlich ist sie keine Realität im Sinne aufgeklärter akademischer Naturwissenschaft, Psychologie usw. Aber Menschen haben etwas erlebt und erleben auch heute etwas. Der liturgische Ruf „Christus ist auferstanden, er ist wirklich auferstanden“, der in vielen Kirchen, zum Teil auch in reformierten, in den Ostergottesdiensten erklingt, zeigt eine Realität, die existiert, wenn sie auch schwer und für viele Menschen nicht verständlich ist. Ich möchte am Ostersonntag das Ostergeschehen auf mich wirken lassen und es nicht „wissenschaftlich“, „soziologisch“ oder sonst wie hinterfragen und verwedeln lassen. Damit verstehe ich mich weder als naiv noch als fundamentalistisch. Es ist absolut richtig, dass die Theologie, die Geschichtsforschung, die Medizin, die Psychologie und wohl auch die Juristerei sich mit dem Geschehen vor 2000 Jahren kritisch auseinandersetzen, nach intellektuell nachvollziehbaren Antworten suchen (oder allenfalls auch festhalten, dass es nach aktuellem Erkenntnisstand zum einen und anderen Punkt keine gesicherten Antworten gibt). Aber alles hat seine Zeit …

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  • Anita Ochsner
    Gepostet um 13:16 Uhr, 01. April

    Danke sehr für diesen Beitrag! Und zu diesem Tag.

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  • Hans-Peter Geiser ZH Pfarrer, Dr. theol. M. Div.
    Gepostet um 13:52 Uhr, 01. April

    Im Grunde hast Du Mut, lieber Stephan.

    Andernorts – global – würdest Du längst „kirchlich-theologisch“ rausgeschmissen für Dein Reframing des Reframing von Ostern. Wo das „Jetzt erst recht“ oder der Aktivismus im Gerechtigkeitsempfinden „Wir machen weiter, wo er versagt hat“ … zur blossen Metapher des Erledigten werden.

    Erledigt ist das Christliche.

    Im Grunde ist es ja längst so, wenn man sich nach den Charts vor Ostern richtet.

    Da sind nicht nur in Migros, COOP und Aldi – selbst im Kino ausser Maria Magdalena – die Osterhasen Deine vorösterlich populärste Trauergemeinde. Zum Glück gibt Schoggi einen therapeutischen Adrenalinschub – wissenschaftlich nachgewiesen. Dank sei den Hasen.

    Der TA Tages-Anzeiger vor Ostern referiert über den Abbruch des „The Jesus Projets“, wonach in einer wissenschaftlichen Projektphase 37 „Wissenschaftler/innen“ 5 Jahre lang danach suchen wollten, wie es um den „Christ Myth“ steht. Hat es überhaupt Jesus jemals gegeben? Wobei das Experiment nach internem Streit abgebrochen wurde.

    Die AZ Aargauer / Mittelland Zeitung vor Ostern bringt bloss noch ein 2-seitiges „Selfie von Christoph Sigrist – dem einzigen Nachfolger von Zwingli am Grossmünster in Zürich“ (gab es da nicht mal zwei Pfarrer/innen am ZH Grossmünster?) zustande.

    https://www.google.ch/amp/s/amp.aargauerzeitung.ch/schweiz/grossmuenster-pfarrer-gott-ist-zum-leidwesen-der-schweiz-nicht-neutral-er-ist-parteiisch-132379691

    Im Resten der Mediallandschaft CH sind wir längst österlich abgehängt. Und wir sind selber schuld. Denn wie österlich leben wir – denn darum ging es eigentlich, das allein hat eine damalige Trauergemeinde zur sozial explosivsten Nachfolge- und Kontrastgemeinschaft in Roms Zeiten (Gerhard Lohfink) gemacht – als heutige Kirchen noch? Null. Auch wir gehen lieber, wenn möglich, mit Easy-Jet ins verlängerte Wochenende .

    Botschaftsmässig gelebt bleibt wenig. Ausser den paar ökumenischen Kreuzwegszügen durch die Stadt Zürich oder den jährlichen Inszenierungen kerzenvollster Osternächte oder Ostermorgen als Performances der vielen Trauergemeinden, die so tun, „als ob“ – in neuster österlich performativer Gemeinde- und Religionspädogogik.

    Denn ausser „bürgerlicher Religion“ scheinen wir nichts mehr Marktvolleres für die Trauergemeinden übrig zu haben, das noch überzeugte (Peter Walss, ZH Pfarrer, tot).

    Vom alten „Aufstand des Widerstandes der Hoffnung im Hoffnungslosen“ (Jürgen Moltmann, Johann Baptist Metz, Dorothee Sölle, Luise Schottroff bis hin zu Elsa Tamez und Wolfhart Pannenberg nebst Hans-Joachim Sander, Topologische Dogmatik 2018) ist wenig bis gar nichts mehr lebendig geblieben.

    Wo das „Reframing“ keinen einzigen „Rahmen“ mehr sprengt.

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  • Alpöhi
    Gepostet um 16:13 Uhr, 01. April

    Osterwunder: Die Menschen in den Ostkirchen rufen sich gegenseitig zu, „Er ist auferstanden!“ – „Er istvwahrhaftig auferstanden!“ – Der Glaube an den auferstandenen Christus war seit je her das Element, das der Kirche Kraft gab – oder besser: den Menschen in der Kirche.

    Keine Auferstehung, keine Kraft.

    Warum haben wir „aufgeklärten, denkenden Menschen“ so dermassen Mühe mit der Auferstehung? –
    Arbeitsthese: Weil wir von ihr keine Ahnung haben. Es ist bei den meisten Reformierten nur Hörensagen. Es genügt halt nicht, reformiert zu sein. Wenn die Christengemeinde zum ChristenTUM wird; wenn statt Gottesbeziehung nur noch Mitgliedschaft ist – dann muss doch alles erkalten.

    Jesus sprach: „Folge mir nach!“ Genau darum geht es. Wenn wir ihn von ganzem Herzen suchen, wird er sich von uns finden lassen. Die Bibel verspricht es, Millionen von Nachfolgern bezeugen es.

    Und noch kurz ein Gedanke für den Intellekt: Wenn Gott allmächtig ist, dann kann er doch auch Wunder tun, singuläre Ereignisse, die naturwissenschaftlich nicht erklärt werden können. Das gibt es anerkanntermassen auch z.B. in der Astrophysik.
    Ein allmächtiger Gott kann also Wunder tun. Aber er wird sich damit zurückhalten, weil sich auch der „Spielleiter“ an die Spielregeln hält. Ausser bei den wenigen ganz grossen Momenten, wo es ohne Eingriff nicht ging. Singuläres Ereignis.

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