Sprachlosigkeiten überall – und keine Lösung in Sicht

Am 9. und 10. März gastierte der österreichische Kaberettist Günther Paal alias Gunkl in Olten. In seinem Programm „Zwischen Ist und Soll – Menschsein halt“ betrachtete er mit wienerischem Charme die weltanschaulich plurale Gesellschaft. Wie vor ihm Jürgen Habermas und Josef Ratzinger machte er auf einige Tücken der zwischenmenschlichen Kommunikation aufmerksam. Doch wie groß die Tücken, man möchte fast schon sagen Gräben, der zwischenmenschlichen Kommunikation aufgrund weltanschaulicher Unterschiede sind, zeigte sich mir erst heute.

Am 14. März 2018 verstarb der britische Physiker Stephen Hawkins. Das Schweizer Fernsehen erinnerte auf seiner Homepage an seine wissenschaftlichen Leistungen und krankheitsbedingten körperlichen Einschränkungen. In den Kommentaren fanden sich jene wieder, die seine Genialität feierten und diese, die seine Erkenntnisse – mit Verweis auf die Bibel – marginalisierten. Mir erschliesst sich beides nicht! Meine eigenen mathematischen Kenntnisse reichen nicht aus, um auch nur annähernd die Leistungen Hawkins’ verstehen zu können und meine religiöse Skepsis erschwert es mir, die Begeisterungsfähigkeit für ein mindestens 1800 Jahre altes Buch zu würdigen.

Die zentrale Frage allerdings lautet, wenn es – aufgrund unserer weltanschaulichen Pluralität – schon schwer fällt, uns darauf zu einigen, wie die Welt ist, wie schwer wird es erst werden, uns zu einigen, wie die Welt sein soll, d.h. wie wir miteinander leben wollen.

Zunächst ist es vielleicht das Einfachste, all jene Personen und Statements aus der Diskussion darüber, wie die Welt ist, auszuschliessen, die sich nie irren resp. Behauptungen, die intersubjektiv nicht nachvollziehbar sind. Diese Einschränkungen trifft sowohl auf Personen zu, die meinen, man müsse doch nur die Bibel studieren, um zu glauben, als auch ausdrücklich auf jene, welche die Wissenschaft als ihre Profession ansehen.

Für die Diskussion darüber, wie die Welt sein soll, ist es nicht so einfach. Eine falsch verstandene Toleranz und einem grassierenden Relativismus, dass ja irgendwie jede*r seine/ihre eigene Wahrheit hat, und die irgendwie auch richtig ist und man doch die Meinung eines jeden Menschen ernst nehmen müsse oder so, ist bei dieser Frage ebenso falsch am Platz wie das ständige Beharren auf einer vermeintlich homogenen schweizerisch, (jüdisch-)christlichen oder aufgeklärten Identität. Gunkl empfiehlt die Gemeinsamkeiten zu schätzen und sich über die Unterschiede zu unterhalten. Wie man sich allerdings über Unterschiede unterhalten kann, verrät er leider nicht. Dieser Beitrag ist ein neuerlicher Versuch.

Die Meinung des Autors in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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3 Kommentare
  • michael vogt
    Gepostet um 07:12 Uhr, 28. März

    was offenbart sich, wenn menschen (und eventuell auch tiere etc) verschiedenster herkunft einander begegnen? vielleicht die befreiung aus der gefangenschaft in den beiden im beiteag genannten fragesellungen – schöne verschreiber: die menschheit als beiss ag, die immer etwas zu beissen hat, deren teilnehmerInnen einander beissen (auch der liebesbiss ins ohr), dann fragestellugnen (ja, die lüge kann schon in der frage sein) – fragegesellungen.

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  • Reinhard Rolla
    Gepostet um 09:19 Uhr, 28. März

    Menschen, die etwas nicht wirklich wissen, (weil man es [noch] nicht wissen kann, sondern nur annehmen, spekulieren, glauben, sollten immer ein „ich nehme an, spekuliere, glaube“ dazu setzen. Dann wäre schon viel geholfen. Auch Hawkins hat – wie viele andere auch – manches (nur) „geglaubt“ – und es wurde als „Wissen“ verkauft.. Zum Glück wird meistens daraus keine Religion, Sonst hätten wir noch mehr moderne „Religionskriege“ und „Kreuzzüge“.

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  • Alpöhi
    Gepostet um 16:30 Uhr, 28. März

    Es ist ein ur-menschliches Verhalten, dass wir uns mit Gleichgesinnten umgeben; man will ja schliesslich Bestätigung, auf dem rechten Weg zu sein. Damit sind wir zufrieden. Über Unterschiede unterhalten? Viel zu anstrengend. Der Mensch ist bequem. Das Höchste der Gefühle ist, wenn wir eine Ferienreise in eine exotische Gegend unternehmen. (Die Erste Allgemeine Verunsicherung – auch aus Österreich – liedete dazu satirisch im Stück „Afrika“: „heute gehnwa Neger schauen, des gibt ein Trara!“) Aber dann kommen wir wieder nach Hause und sagen: „Daheim ist es halt doch am schönsten!“

    Als unerlöste Menschheit lösen wir dieses Problem nicht. Eher geben wir einander aufs Dach („mein roter Knopf ist grösser als deiner“).

    Also Veränderung unmöglich? – Nur fast. Im Kleinen kann es gelingen. In der Zeit, als man bei uns noch „sch****-Jugos“ sagte, wohnte ich Tür an Tür mit einer Familie aus Jugoslawien. Die waren ganz normal! Das hat mich positiv geprägt.

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