What would Jesus do?

Ich habs ja nicht so mit Religion. Oder mit Gott. Aber mit Jesus kann ich ganz gut leben. Also mit seiner Geschichte. So wie ich sie verstehe, war er ein unangenehmer Zeitgenosse für alle, die es sich in Vorteilen, Gier, Macht und Abwertung gemütlich eingerichtet hatten.

Er verbrachte seine Zeit mit Nutten und Spielern, war selbst nicht verheiratet (wenigstens nicht offiziell), prügelte die neoliberalen Geldwechsler aus dem Tempel, kümmerte sich um die Kranken und Verstossenen, verteilte seine Güter an die Bedürftigen und war alles in allem wohl ein Hippie.

Viele meiner atheistischen Freunde verhalten sich ähnlich missionarisch wie die Frömmler der verschiedensten Religionen. Beide Seiten streiten sich darüber, obs ein übergeordnetes Wesen gibt oder nicht, ob uns nach dem Tod ein weiteres, glückseliges Leben erwarte oder nicht. Was ich von beiden Seiten her kindisch finde.

Nun, das ist vollkommen egal. Wenn ich mein Leben nur darum gut, mitfühlend und wahr lebe, weil mich danach eine Belohnung dafür erwartet, oder wenn ich nur gerecht handle, weil ich die göttliche Strafe fürchte, ist es nichts wert. Zuckerbrot und Peitsche, wie sie die Religionen so ausgeklügelt aufgebaut haben, ist etwas für eine Menschheit im Kleinkindalter.

Die Geschichte von Jesus zeigt aber, dass die Menschheit inzwischen das Potential hat, erwachsen und selbstbestimmt zu handeln. Nächstenliebe war damals ein total neues Konzept, das eigentlich die ganze Welt veränderte. Nicht mehr Auge um Auge, sondern standhaft und liebevoll für ethische Prinzipien. Ohne Reue, ohne Angst. Viele der humanistischen Prinzipien wurzeln in den urchristlichen Werten. Jesus wollte uns in erster Linie die Angst nehmen, nicht die Sünde. Er stand für eine Art zu leben, die es egal machte, ob es Gott gab oder nicht. Jesus wartete nicht auf den Himmel, noch fürchtete er die Hölle. Und er wusste aus eigener Erfahrung, dass diese Art zu leben nicht immer einfach war und Opfer forderte.

Und wie sieht das heute in unserem Alltag aus? Wer heute nach ethischen Grundsätzen lebt, macht es sich nicht einfach. Es besteht die Gefahr, von aussen angegriffen oder ausgelacht zu werden. Damit kommen die Meisten klar. Es besteht aber auch die Gefahr, uns selbst narzisstisch und stolz als Märtyrer aufzuspielen, indem wir unsere Werte wie eine Keule gegen andere schwingen. Es ist nicht leicht, ein anständiger Mensch zu sein, ohne darauf einen ungesunden Stolz zu entwickeln.

Wenn wir alleine, ohne Zeugen, ohne Gott, nur gegenüber unserem Innersten richtig und ethisch handeln, und niemals eine Belohnung oder eine Anerkennung dafür bekommen, keine ewige Strafe fürchten, sind wir auf dem richtigen Weg.

Die Frage ist also nicht, ob ich an Jesus glaube. Die Frage ist, ob ich wie Jesus sein und handeln will.

 

 

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13 Kommentare
  • Pina Pirrone
    Gepostet um 12:28 Uhr, 21. Dezember

    Interessant der Satz
    Ob ich an Jesus glaube.
    Oder ob ich wie Jesus sein und handeln will.

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  • Patrick Brand
    Gepostet um 12:59 Uhr, 21. Dezember

    Bravo, da hat wieder einmal jemand den historischen Jesus ausgegraben! So wie er wirklich war – die Ausgrabung bringt einen Menschen ans Licht, der das Gute war und wollte! Ein historisches Vorbild, an denen es in der Weltgeschichte ja eigentlich nicht mangeln würde.
    Damit soll nicht gesagt sein, dass es falsch sei, wie Reda El Arbi auf das Leben Jesu zu blicken. Dies ist schliesslich ein wichtiges und richtiges Anliegen von uns Reformierten.
    Ob man allerdings Frauen, die sich in ihrer Not für Geld und Essen verkaufen mussten als „Nutten“ bezeichnen muss und ob mit dem Titel „Hippie“ alles über den Sohn Gottes gesagt ist, bezweifle ich. Ob die Nächstenliebe wirklich etwas ganz Neues war und El Arbi das alttestamentliche Talionsgesetz richtig interpretiert bleibt ebenso dahingestellt.
    Ich frage mich, warum ich denn wie Jesus oder sonst ein moralisches Vorbild sein sollte, wenn ich nicht an ihn glaube. Also, wenn ich in meinem Innersten nach der richtigen Entscheidung frage, finde ich da lediglich ein in sich zurückgezogener alter Ego, der am liebsten in seinem wohlig warmen Nest bleibt und zu sich selber schaut. Der will nicht wie Jesus sein. Aber geweckt vom Glauben, der selbst mein innerstes Ego nicht kalt lässt, kommt auch er immer wieder raus und setzt sich unter garstigen Bedingungen für andere ein. Zum Glück hat er dann im Glauben die Gewissheit, nicht alleine die Welt erlösen zu müssen. Viele andere helfen ihm im selben Glauben an Gottes Sohn dabei. Und weil auch das immer nur Stückwerk bleiben wird, darf getrost auf das erneute kommen unseres Herrn gewartet werden. Ich wünsche allen gesegnete Weihnachten!

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  • Reda El Arbi
    Gepostet um 13:15 Uhr, 21. Dezember

    Ich nehne an, dass auch Leute ohne Glauben ethisch handeln können.

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    • Anonymous
      Gepostet um 08:56 Uhr, 23. Dezember

      ja natürlich … die Frage ist eher, wie es Menschen interpretieren, die an Gott glauben.

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  • barbara
    Gepostet um 13:23 Uhr, 21. Dezember

    „Liebe Gott von ganzem Herzen, und liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ ist auf alle Fälle ein Zitat aus dem AT.

    Was die Prostituierten betrifft: die waren damals und sind heute noch jene Frauen, denen es an besseren Optionen mangelt. Wer die Möglichkeit hat, auf angenehmere Art Geld zu verdienen, wird das auch tun!

    Was „an Jesus glauben“ überhaupt bedeuten soll – wenn nicht, seine Worte und Taten zu studieren und das eigene Handeln an diesen Worten und Taten zu orientieren – ist mir nach wie vor unklar. Alle paar Sonntage mal in die Kirche gehen und murmeln „ich glaube an Gottes Sohn“, kann’s ja nicht sein? – das wäre ja sowas ähnliches wie das Benutzen eines magischen Amuletts, oder eines Passworts; weil man die richtige Kombination kennt, kommt man rein.

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  • Anita Ochsner
    Gepostet um 14:58 Uhr, 21. Dezember

    Wieder einmal ein Hinweis, doch der Film „i Daniel Blake“ läuft grad in den Kinos, zeigt sehr eindrücklich auf, was die Nächsten Liebe und die Würde des Menschen betrifft, wozu sich Jemand Frau oder Mann hingeben muss aus Not, in dieser unserer Gesellschaft, wer durch „Das Netz“ fällt…

    Der Beitrag spricht mir an ganz vielen Stellen aus dem Herzen, und bestimmt kirchendistanzierten Freunden, die Dinge auszusprechen, wie Jesus auch gelebt hat oder gelebt haben könnte.
    Angela Wäffler fragte nach einer Geschichte: Ich überlegte und fragte mich; wie würde denn Jesus heute aufwachsen können? wie würden wir denn heute einem Jesus begegnen, benennen der randaliert .. ? Würde man doch so sagen? Unbeachtet dessen was er/sie sonst noch tut?! Woran würden wir „messen?“ An Guten Menschendienlichen Handlungen, für Frieden und Gerechtigkeit und Liebe

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  • Angela Wäffler-Boveland
    Gepostet um 17:41 Uhr, 21. Dezember

    Mir kommt zu der Frage, ob und wie ethisches Handeln und Glaube an Gott zusammengehören, eine kleine Geschichte von Bertolt Brecht in den Sinn, die ich hier gern teile:
    http://www.dober.de/religionskritik/brecht.html

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    • Anita Ochsner
      Gepostet um 10:04 Uhr, 22. Dezember

      :- ))) Danke Dir Angela.
      Doch ich meine schon, ethisches handeln ist nicht vom Glauben abhängig. Nur dazu, meine ich, wir (in unserer Kultur) sind doch christilch geprägt, erzogen. Unsere Werte basieren auf christlichen Werten. Im Leben und auch in der Politik. Dazu möchte ich auf die Kommentare „Wertedebatte“ in einem anderen Beitrag in diesem Blog hinweisen.
      Ich meine da können wir uns gar nicht entziehen. Ob streng gläubig oder atheistisch, schlussendlich, wie jemand handelt, hängt immer vom einzelnen ab. Wie er oder sie, die Dinge aus seiner inneren Haltung, aus seiner Prägung mit oder ohne Glauben, betrachtet und angeht, die Prägung spielt mit, und was der Einzelne daraus macht. da sind mir Menschen die sagen ich glaube an keinen Gott, näher, als streng gläubige.
      Und, an Gott glauben, ohne auch mit Jesus „verbündet“ sein … ?

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    • Esther Gisler Fischer
      Gepostet um 08:57 Uhr, 25. Dezember

      Eine schöne, ‚träfe‘ Geschichte; -danke!

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  • Leila Ochsner
    Gepostet um 19:58 Uhr, 21. Dezember

    Danke.., ich bin aus der Kirche ausgetreten, da wir „Punkte“ Sammeln mussten, um konformiert zu werden. Wir mussten an verschiedenen Anlässen wie; – Mädchenabend – Flimnächte – Kirchenbesuche mit Postenlauf in Zürich usw. teilnehme. Natürlich hatten wir eine Auswahl und mussten nicht überall teilnehmen. Da gab es auch noch ein Lager wo man bereits 25 von 70 Punkte holen konnte.., ja genau Sie haben richtig gelesen, 70 PUNKTE. Wenn wir in den Gottesdienst gingen zählten nur die ersten 5 als je einen Punkt, es ist also so, dass ich jede Woche in die Kirche hätte gehen können und trotzdem nur 52 Punkte, wovon nur 5 zählen, gehabt hätte. Sicher die Pfafferin hätte einem geholfen die Punkte zu sammeln. Dass ging mir wohl einfach nicht in meinen Dickschädel .., ich bin mir sicher die Kirchgemeinde hat dies als anreiz für die Jungen gemacht, aber warum lasen wir sie nicht auf uns zukommen, warum zeugeln wir sie so?, Viele der Konformanden haben nicht sehr gläubisch gewirkt, oder sie konnten wegen den Hormonen einfach nicht darüber reden.. ich wurde schon oft gefragt ob ich an Gott glaube, ich weiss es aber nicht .. ich glaube wir alle haben einen Engel der uns hilft wen wir es zulassen … aber ich brauche nun mal keine Kirche um Gott nahe Zusein..
    Was ich damit sagen will ist, dass ich es sehr schön finde was sie hier schreiben., ich hab mir Jesus noch nie von der „nicht braven“ Seite angesehen doch es macht ihn sehr sympathisch, also danke dass Sie mir diese Seite geschildert haben.
    (sorry wegen den Schreibfehlern u. dass ich vom Thema abwich..)

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  • David G.
    Gepostet um 20:17 Uhr, 21. Dezember

    Vielen Dank für Ihren Artikel. Sie haben da einige wichtige Punkte angesprochen und sehr treffend beschrieben. Anbei noch ein paar Anregungen meinerseits:

    Man sollte sich nicht darüber streiten müssen ob es einen Gott gibt oder nicht aber die Frage ist durchaus wichtig, da sie entscheidet wie wir unser Leben ausrichten. Die Frage ist meiner Meinung nach wichtig und berechtigt, nicht kindisch. Kindisch ist wohl eher die Art wie wir mit dieser Frage umgehen.

    Sie haben das sehr gut beschrieben das Jesus uns die Angst nehmen wollte, daher kann es auch nicht sein das wir durch Angst getrieben, unser Leben nach christlichen Werten leben. Genauso wenig durch Erwartungen oder wegen Belohnungen, da Christus uns mit seinem Leben als gutes Beispiel voranging. Er hat sich im dienste der Menschheit erniedrigt, ohne etwas zu erwarten und genau das sollte auch die Motivation eines jeden sein: Bedingungslose Liebe.

    Alles was Jesus tat, tat Er in übereinstimmung mit dem Willen des Vaters, daher stand Er für eine Art zu leben die dem Vater die Ehre gab. Jesus wartete nicht auf den Himmel, da Er ja wegen uns auf die Erde kam und fürchtete die Sünde nicht , da Er völlig rein war in dem Er ganz nach dem Willen des Vaters wandelte. Er wusste das es nicht einfach werden würde aber da Er auf diese Erde kam um die Schuld der anderen zu tragen, hat Er selbst den Tod bewusst in kauf genommen.. Was war die Motivation? Bedingungslose Nächstenliebe.

    Sie haben das richtig erkannt. Als Christ reicht es nicht von Jesus zu lesen sondern man müsste auch nach seinen Worten handeln aber es ist genauso wichtig an Jesus zu glauben da niemand zum Vater kommt ausser durch Ihn. Wer Jesus verleugnet, verleugnet auch den Vater.

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  • Esther Gisler Fischer
    Gepostet um 08:23 Uhr, 25. Dezember

    Ich denke auch, dass ethisch richtiges Denken und Handeln existiert und praktiziert werden kann ohne aus einer konkreten Gottesvorstellung gespeist zu sein. Als Grundlage ethischen Tuns ist zudem in vielen Religionen die sogenannte ‚goldene Regel‘ vorhanden, Wenn diese als gemeinsamen Nenner konsequent angewendet würde, wäre schön viel gewonnen!

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    • Esther Gisler Fischer
      Gepostet um 09:04 Uhr, 25. Dezember

      Judentum: „Tue nicht anderen, was du nicht willst, dass sie dir tun.“ (Rabbi Hillel)

      Christentum: Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen ebenso (Evangelien Jesu)

      Islam: „Keiner von euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder, seiner Schwester wünscht, was er sich selbst wünscht.“ (Hadith Mohameds)

      Hinduismus: „Man sollte sich gegenüber anderen nicht in einer Weise benehmen, die für einen selbst unangenehm is; das ist das wesen der Moral (Mahabharata)

      Buddhismus: „Ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich ist, solles auch nicht für ihn sein; und ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich ist, wie kann ich ihn einem anderen zumuten? (Samyutta Nikaya)

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