Von Grumpys Leben und Sterben

Neulich ist Grumpy gestorben. Grumpy war ein Goldhamster, der seit zwei Jahren bei unserer Familie in einer mannshohen Hamstervilla gelebt und gewirkt hatte.

Grumpy trat eher spät in unser Leben. Für einen Goldhamster, jedenfalls. Unsere Wege kreuzten sich in einem Tierheim im Kanton Thurgau, wo ein Goldhamsterweibchen und sein Brüderchen, schon ein Jahr alt, auf ein neues Zuhause warteten. Der Vorbesitzer hatte „versehentlich“ Hamster gezüchtet, weil er seinen Kindern die Freude kleiner Goldhamsterbabys nicht vorenthalten wollte. Doch diese Freude war schon nach wenigen Tagen abgeklungen. Und die Kleinen wurden ins Tierheim abgeschoben.

Der Entscheid zwischen Grumpy und ihrem Geschwister war schwierig. Doch Goldhamster sind nun mal Einzelgänger. Und zudem wollten wir Grumpy nicht nur ein tierschutzgerechtes, sondern ein tierwohlgerechtes Leben bieten, für das eine grosszügige Unterkunft mit Buddelkiste, Schlafhaus und diversen Leitern und Versteckmöglichkeiten Bedingung war. Nach einer Eingewöhnungsphase entpuppte sich die scheue Grumpy – entgegen ihrem Namen, der „grummelig“ bedeutet – als fröhliche und neugierige Hamsterdame, die die gemeinsamen Abendstunden unendlich bereicherte.

Doch vor einigen Tagen fiel mir auf, dass es Grumpy nicht gut geht. Sie schleppte sich von ihrer Buddelkiste mit grosser Mühe die Leiter hoch zu ihrem Fressplatz, und mochte die Backen nicht mehr so recht mit Gemüsestückchen füllen. Ich buchte einen Termin beim Tierarzt. Grumpy jedoch baute sich noch in derselben Nacht in ihrer Buddelkiste ein gepolstertes Nest, und wachte am nächsten Tag nicht mehr auf.

Wer mit einem Tier zusammenlebt, sollte darauf gefasst sein, dass irgendwann die Zeit des Abschieds von seinem Gefährten kommt. Aber wenn es dann mal so weit ist, kann einem das ziemlich aus der Bahn werfen. Ich habe schon mehrfach um tierische Schützlinge getrauert, und auch bei Grumpys Tod, obschon „nur“ ein Hamster, habe ich eine tiefe Traurigkeit verspürt.

Denn mit ihrem Tod ist nicht irgendein Möbelstück zerbrochen, sondern ein geliebter Tiergefährte gegangen, ein einzigartiges, wertvolles Individuum, und das schmerzt sehr. Ein Tiergefährte ist immer für einen da, in guten wie in schlechten Zeiten. Er nimmt einen, wie man ist, wertet nicht, kritisiert nicht. Tierliche Gefährten sind bedeutsam für das alltägliche Leben und die Erinnerungen, oft sogar ein Teil des Selbstverständnisses als Mensch.

Wer jedoch um ein verstorbenes Tier trauert, stösst immer noch oft auf Vorbehalte oder gar Unverständnis. Trauer um ein Tier, das scheint „übertrieben“, oder gar „falsch“. „Das war doch nur ein Tier“, heisst es häufig, wobei mal Hilflosigkeit, mal die Vorstellung mitschwingt, so ein Tier sei doch einfach und rasch „ersetzbar“.

Doch längst wissen wir es eigentlich besser. Die Wissenschaft sagt, dass der Trennungsschmerz beim Tod eines Haustieres so intensiv sein kann wie beim Verlust eines Menschen. Das mag nicht jeder so empfinden, und das ist auch in Ordnung so.

Doch: Menschen, die um einen Tiergefährten trauern, sollten ihre Trauer zulassen und sie ausleben dürfen, ohne dass sie sich dafür rechtfertigen oder gar „schämen“ müssen. Es sollte Räume und Formen für die Trauer um Tiergefährten geben.

Es muss darüber gesprochen werden, dass die Trauer um einen Tiergefährten ein natürliches Verhalten auf einen Verlust ist, ein Stück Arbeit, das getan werden muss; um loszulassen, neue Perspektiven zu erkennen, und schliesslich wieder in das Leben zurückzufinden. Dieses Leben wird zwar nicht mehr dasselbe sein. Aber es kann trotzdem ein gutes sein. Mit dem Tiergefährten als stillen Begleiter, der in der Erinnerung in uns weiterlebt.

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In der ref. Citykirche Offener St. Jakob am Stauffacher wurde zusammen mit der Aktion Kirche und Tiere am 3. Februar 2019 erstmals ein Trauergottesdienst für Tierhaltende durchgeführt. Auch nächstes Jahr wird dort wieder eine Gedenkfeier für Tiere stattfinden. Zudem findet am 16. April 2019 in Zusammenarbeit mit der Paulus Akademie Zürich und dem Friedhof Forum der Stadt Zürich eine weitere Veranstaltung zum Thema statt: „Wenn Haustiere sterben. Von der Trauer um tierische Freunde“.

Der Tiertrauergottesdienst zum Nachhören und Nachlesen: www.aktion-kirche-und-tiere.ch (Unterlagen/Gottesdienst)

Die Meinung der Autorin in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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11 Kommentare
  • Seraphim Weibel
    Gepostet um 07:18 Uhr, 09. April

    Berührt mich nicht. Subkultur X mit ihren Y Themen. Lebet lang und in Frieden….

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  • Anonymous
    Gepostet um 11:38 Uhr, 09. April

    Herr Weibel, sie tun mir leid, wenn Sie nie einen Hundefreund erlebt haben, der immer und überall auf Ihrer Seite steht, Sie mit seinem Leben verteidigen würde, der mit seiner ganzen grossen Hundeseele überzeugt ist, dass Sie der Beste, der Grösste, der Liebenswerteste der Welt sind, der nie einen Fehler macht…Nur mit so einem Freund kann man eigentlich lang und in Frieden leben.

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 06:21 Uhr, 10. April

    Danke für diesen Beitrag, der mich sehr berührt – wie die Tiere, ihr Leben und Sterben überhaupt. Nicht alle sterben eines natürlichen Todes wie Grumpy, wie wir wohl wissen.

    Der Kommentar dazu aber hat mich in eine diesseits-Krise gestürzt. Wieso wird ein Kommentar veröffentlicht, dessen einzige Absicht zu sein scheint, abzuwerten und kleinzumachen? Bei diesem Verfasser nicht das erste Mal. Wieso tu ich mir das eigentlich noch an?! Und die Beobachtung mag hier fehl am Platz sein, aber: Es schreiben fast keine Frauen mehr für diesseits. Ich kann nachvollziehen, warum nicht.

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    • stephan jütte
      Gepostet um 08:36 Uhr, 10. April

      liebe barbara,
      ich nerve mich auch über den kommentar. gleichzeitig freue ich mich, dass er kontrastiert wird durch viele, die das thema „wichtig“ und „berührend“ finden. das zeigt auch, dass herr weibel in der minderheit ist. und das zu zeigen, finde ich wichtig.
      gerade weil ich an den beitrag und den text – ist echt gut geschrieben – glaube, kann ich mich beruhigt an die sehr lockere nettiquette halten 🙂
      aber wie soll ich das thema mit den frauen verstehen, das du ansprichst? möchten frauen weniger kontroversen, eher leserbriefe oder ein feuilleton? ich fände das echt wichtig zu wissen, zumal ich weder dich noch esther noch sibylle oder andere autorinnen als weniger schlagfertig oder diskussionslustig erlebt habe. aber es kann ja trotzdem sein, dass es nervig ist und wir das überdenken müssen…?
      lieber gruss!

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 10:00 Uhr, 10. April

    Lieber Stephan
    Ich kann mich nur auf meine Beobachtung beziehen: Es schreiben fast keine Frauen mehr. Es kommentieren fast keine Frauen mehr. Esther Gisler ist ausgestiegen nach ihrem letzten Beitrag. Von Sibylle oder Catherine habe ich schon sehr lange nichts mehr gelesen. Fragt die Autorinnen doch, weshalb. Bei mir hat diese Kombination von Artikel und Kommentar einen negativen Wiedererkennungseffekt ausgelöst. Frau schreibt einen einfühlsamen und thematisch wichtigen Artikel – und schon klatscht ihr der erste abwertende männliche Kommentar um die Ohren. Auch wenn man mit dem Blog wenig anfangen kann – das muss einfach nicht sein.
    LG Barbara

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    • stephan jütte
      Gepostet um 18:17 Uhr, 10. April

      liebe barbara!
      danke, ich bedaure ja solche kommentare auch. denn obwohl sie nur etwas über den verfasser des kommentars und nichts über den text aussagen, können sie treffen…
      zum glück gab es dafür viele daumen runter.
      wäre dein vorschlag, solche destruktive kommentare zu löschen? ich kann mir das schon auch vorstellen.
      lieber gruss! …und bitte, bitte bleib uns erhalten!!!

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      • Barbara Oberholzer
        Gepostet um 20:46 Uhr, 10. April

        Ach Stephan …. ich weiss, dass diesseits ein sehr liberales Konzept verfolgt. Pseudonyme, anonym Schreibende, alles ist möglich. Zu Beginn fand ich das spannend und mutig. Bin ich vielleicht doch nicht so offen, wie ich gedacht hatte? Ich find Zensur nicht gut! Doch ich denke, dass diesseits auch die Bloggenden, die einiges von sich zeigen, nicht vergessen darf. Sie sollen alle erhalten bleiben und ohne Angst vor Verletzung schreiben können. Vielleicht liegt da noch mehr drin an Wertschätzung, Motivation und Solidarität mit den SchreiberInnen? Unter unsern Beiträgen steht ein Disclaimer. Wäre es eine Idee, wenn diesseits Kommentare wie von Herrn Weibel – er ist nicht der einzige – zwar aufschalten, aber sich davon distanzieren würde?

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        • Stephan Jütte
          Gepostet um 14:26 Uhr, 11. April

          Liebe Barbara,
          Wir haben heute an unserer Sitzung über das Problem gesprochen.
          Du darfst fest mit einer Lösung im Sommer rechnen. So lange brauchen wir aber, um nicht einfach einen Schnellschuss zu landen 😉
          Herzlich!
          Stephan

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          • Barbara Oberholzer
            Gepostet um 20:09 Uhr, 11. April

            ??

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  • Brigitte Hauser
    Gepostet um 17:32 Uhr, 10. April

    Danke für den berührenden Beitrag. In meiner Arbeit als Spitalpfarrerin sind Tiere, vor allem Haustiere ein häufiges Thema: Der Verlust eines Tiers, die Sorge um ein Tier und vor allem, was ein Tier jemandem gibt und für jemanden bedeutet. Tiere sind bestimmt keine Subkulturthemen. Da irrt der erste Kommentator.

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    • Barbara Oberholzer
      Gepostet um 20:59 Uhr, 10. April

      Ja, das erleb ich genau gleich. Und ich selber kämpfte monatelang mit Trauer und Schuldgefühlen, als meine alte Katze ganz plötzlich allein verstarb. Das hat nichts mit Subkulturen zu tun, sondern mit Umgang und Liebe zu lebendigen Wesen.

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