Die Chihuahua-Generation

Ich gehöre eindeutig der Chihuahua-Generation an. Ich strenge mich akustisch an, damit ich auffalle. Denn wer in der Masse untergeht, hat in unserer grossen weiten Welt bereits verloren. Wir sind ständig im Konkurrenzverhältnis: für unsere Jobs, für gute Freundschaften, für unser Platz in der Startaufstellung des Fussballvereins oder im überfüllten Tram, für ein bisschen Aufmerksamkeit. Wie ein Chihuahua bin ich in den sozialen Medien laut aber im Grunde genommen TOTAL ungefährlich. Mein Beitrag für gesellschaftliche Veränderungen beschränkt sich auf ein Minimum, ich bin für das Weltgeschehen irrelevant.

Gleichzeitig bin ich ängstlich. Ich habe Angst, wenig Likes zu ergattern, die falschen Impfungen zu machen, Fake-News nicht zu erkennen, zu wenig Pensionsleistungen zu erhalten, Produkte zu verzehren, die nicht BIO sind. Also zusammenfassend: ich bin zu 50% ängstlich und zu 50% aggressiv-kläffend. Hallo, seht her! Ich bin da unten. Unter uns: ich bin auf mein Herrchen angewiesen. Ich belle, nur weil ich Rückendeckung habe. Ich würde es sonst nicht tun. Ich belle, weil ich darf! Mein Herrchen ist der Staat: Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit geben mir die Grundsicherheit, die ich benötige, um frech zu sein. Gleichzeitig werde ich an der Leine gehalten, frei bin ich nicht wirklich. Ich erkenne meine Grenzen, spätestens dann, wenn die Leine spannt.

Chihuahuas zeigen Zähne, nimmt man aber nicht ernst. Sie knurren, aber kaum hörbar. Sie können nicht entscheiden, ob sie selbständig laufen können oder in der Handtasche versorgt werden. Sie müssen das tun, was vom Herrchen verlangt wird. Chihuahuas freuen sich aber heimlich, wenn sich das Herrchen zwischendurch bücken muss, um ihre Exkremente aufzuheben. Dann können Chihuahuas unter ihre Schnurrhaare sogar lachen. Dann haben sie sogar das Gefühl, nur einen Augenblick lang, eine relevante Hunderasse zu sein. Dieses Gefühl hält solange, bis das Robidog-Säckchen im Abfall landet. Dann sind die Chihuahuas wieder kleine Hündchen, die sich für eine kurze Zeit überschätzt haben.

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8 Kommentare
  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 06:44 Uhr, 15. Juni

    Ich gehör dann glaub der Generation Berner Sennenhund an: treu, loyal, anhänglich und zu Übergewicht neigend. Hopelessly outdated. Mist!

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    • Luca Zacchei
      Gepostet um 16:55 Uhr, 26. Juni

      Liebe Frau Oberholzer, alle Hunderassen sind O.K.! Dafür je nach Einsatzgebiet mehr oder weniger für die Aufgabe geeignet 😉

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      • Barbara Oberholzer
        Gepostet um 19:16 Uhr, 26. Juni

        Eben! Nicht alle haben in Miley Cirus‘ Handtasche Platz ?.

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        • Barbara Oberholzer
          Gepostet um 19:18 Uhr, 26. Juni

          Miley Cyrus! Ein Chihuahua hätte das gleich gewusst!

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  • Claudia Mehl
    Gepostet um 08:16 Uhr, 15. Juni

    ?? macht nichts Barbara, ich bin auch ein Berner Sennenhund.

    Aber den Artkel finde ich richtig gut. Humorvoll, einfallsreich, inspirierend. Vielen Dank, Luca Zacchei.

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 11:00 Uhr, 15. Juni

    Schliess mich gern an! Und im Notfall setzen wir uns auf die kleinen Kläffer einfach drauf ? ?

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  • Esther Gisler Fischer
    Gepostet um 15:17 Uhr, 16. Juni

    Ja; -ein witziger Beitrag mit dem Körnchen Wahrheit drin! Danke!

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    • Luca Zacchei
      Gepostet um 16:59 Uhr, 26. Juni

      Vielen Dank!

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