Für eine humane Seelsorge

Neulich kam mir zu Ohren, dass sich die kirchliche Seelsorge durch die wachsende Zahl nichtreligiöser Menschen im Gefängnis, im Militär, im Krankenhaus oder in der Altenpflege und Hospizarbeit herausgefordert sieht. So gerne ich einer humanistischen Seelsorge, wie sie in den Niederlanden[1] oder den skandinavischen Ländern üblich ist, das Wort rede, so gross sind die institutionellen und strukturellen Schwierigkeiten, die diese Forderung mit sich bringt.[2] Ich kann mir laienhaft besonders zwei Engstirnigkeiten in der alltäglichen Arbeit vorstellen. 1. Die Nichtreligiösen wollen mit „den Pfaffinnen und Pfaffen“ nichts zu tun haben. Das ist respektlos. 2. Anscheinend sind dieselben Theologinnen und Theologen aber auch überfordert, wenn sie ihre theologischen Kompetenzen nicht auf nichtreligiöse Klientinnen und Klienten anwenden können. Hand aufs Herz: Fehlt es ihnen wirklich an Kompetenz oder mangelt es ihnen an Offenheit für andere Lebensoptionen?

Eine Sensibilisierung der Seelsorgerinnen und Seelsorger für eine weltanschauliche Pluralität wäre wohl im Interesse Aller. Sie könnte damit beginnen, dass sich verschiedene Klientinnen und Klienten über unterschiedliche Dinge Sorgen machen. Und es obliegt den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, für unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche zu sorgen. Im ungewöhnlichsten Fall sind dies Bedürfnisse und Wünsche, die den Seelsorgerinnen und Seelsorgern völlig fremd sind. Nun zähle ich mich zu eben jenen nichtreligiösen Personen, die gerne Probleme machen. Was würde ich mir von Seelsorgerinnen und Seelsorgern wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass sich keine Seelsorgerin und kein Seelsorger selbst überfordert oder sich selbst schadet. Ich kann es ethisch nicht rechtfertigen und mir hilft es am wenigsten.

Ich würde mir entgegen meiner Alterssenilität, Sturheit und Faulheit von den Seelsorgerinnen und Seelsorgern wünschen, dass sie mich weiter körperlich und intellektuell fordern. Sie mögen bitte meine Stärken und Fähigkeiten in den Blick nehmen.

Ich würde mir wünschen, dass mir Seelsorgerinnen und Seelsorger etwas von der Welt da draussen erzählen, etwas Neues, Fremdes oder Unerwartetes. Meine eigene Welt kenne ich zu genüge.

Vielleicht gibt es tatsächlich etwas, das ich erzählen möchte. Vielleicht gibt es tatsächlich einen letzten Konflikt oder eine letzte Frage, auf die ich eine Antwort suche. Und sicherlich sind ethische Entscheidungen von mir zu treffen, die sowohl mich selbst als auch Andere berühren. Dann würde ich mir Seelsorgerinnen und Seelsorger wünschen, die mich dabei begleiten und unterstützen, meine Antworten zu finden. Sie mögen mir bitte Gesprächspartnerinnen und -partner sein.

Und wenn mein Leben zu Ende geht, wünsche ich mir jemanden, die oder der meine Hand hält, so dass ich gelassen sterben kann.

Ich bin mir sicher, dass viele Seelsorgerinnen und Seelsorger ihre Arbeit besser machen könnten, als sie es heute tun. Es wäre spannend zu erfahren, was sie dazu benötigen. Ich bin mir aber auch sicher, dass viele ihre Arbeit nicht so schlecht machen, wie es „böse Zungen“ gerne darstellen.

Ich danke all jenen von Herzen, die als Seelsorgerinnen und Seelsorger arbeiten, um diese Welt etwas menschlicher zu machen.

[1] https://www.uvh.nl

[2] http://www.hvd-dresden.org/seelsorge/

Die Meinung des Autors in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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10 Kommentare
  • THOMAS GROSSENBACHER
    Gepostet um 08:21 Uhr, 23. August

    Lieber Herr Ramsel
    Sollten sie je im Triemlispital Unterstützung suchen müssen, rufen Sie mich bitte an.
    Ich lerne Sie gerne kennen. Ich kenne weder Berührungsängste noch spezifische Ueberfoderungen durch Menschen, die nicht Mitglied einer Kirche sind. Ich bin zwar Pfarrer aber nicht Pfaffe.
    Ich versuche das Humanum in meinen Begegnungen zu leben und zu beleben. Und das ist zum Glück vielfältig. Der gemeinsame Nenner und Zugang zu allen Menschen heisst: MMM. Man muss Menschen mögen.
    Vielleicht liegt es daran, dass ich 9 Jahre meiner Ausbildungszeit an einem humanistischen Gymnasium verbrachte das unweit des einstigen Wohnsitzes von Erasmus von Rotterdam heute noch unter anderem Namen sein Wesen treibt .Darum und auch aus theologischer Sicht kann mir nichts Menschliches zu menschlich sein.
    Sie sehen, Sie rennen offene Türen ein.
    Lassen Sie es sich gut gehen!

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    • Carsten Ramsel
      Gepostet um 11:48 Uhr, 23. August

      Lieber Herr Grossenbacher
      Vielen Dank für Ihr Angebot. Ich melde mich gerne bei Ihnen. Allerdings ist Zürich doch ein ganzes Stück von meinem jetzigen Wohnort entfernt. Es könnte also noch etwas dauern. Alles Gute für Sie.

      Freundliche Grüsse
      Carsten Ramsel

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      Antworten
    • Brigitte Hauser
      Gepostet um 17:41 Uhr, 23. August

      Schöne Antwort. Danke Thomas.

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 09:20 Uhr, 23. August

    Es gibt Blogbeiträge, zu denen sagt frau am besten nichts ….

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    • Barbara Oberholzer
      Gepostet um 09:25 Uhr, 23. August

      …. was nicht als Zustimmung zu verstehen ist ?

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      Antworten
      • Barbara Oberholzer
        Gepostet um 08:46 Uhr, 24. August

        Jemand hat jetzt tatsächlich „fundiert“ angeklickt … ?

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        Antworten
    • Schlatter Brigitte
      Gepostet um 14:38 Uhr, 23. August

      Liebe Barbara, der Blog erinnert mich an einen sehr langen Wunschzettel eines verwöhnten Kindes an das Christkind. Das Leben als Wunschkonzert?
      Der wunderbare Pfarrer Sieber hat in einem Fernsehinterview einmal gesagt: „Der liebe Gott ist kein Kaugummiautomat!“ Ich würde sagen, ein Seelsorger muss das auch nicht sein. FAZIT: OFT LEIDET DER MENSCH AN SICH SELBST. OB EIN SEELSORGER DA HELFEN KANN ODER HELFEN MUSS? ICH FINDE NEIN! SALVE

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  • michael vogt
    Gepostet um 09:21 Uhr, 23. August

    coincidential care – nicht im namen e i n e r religion oder e i n e r diese religion begründeden person, sondern: was offenbart sich, wenn verschiedenste personen, religionen und nicht-religionen einanander begegnen, zb hier und jetzt in diesem einen seelsorgerlichen gespräch, das dann vielleicht nicht mehr so heisst. coincidentiologie ist die wissenschaft vom zusammenfallen der gegensätze (wie zb religion und nicht-religion), der integration aller inhalte in die alles verändernde vereinigung von allem mit allem. wohl das, was nicht überfordert, auch nicht unterfordert, wohltuend fordert. dent: nicht zahnlos. gut augehoben wären Sie bei mir mit elektrosensibilität oder einer unverträglichkeitsreaktion auf chemie (duftstoffe etc) – weil zu den inhalten meines glaubens schlicht das gehört, dass es das beides gibt. in eine gewisse spannung zum mainstream geraten könnte ich betreffend der wertung des todes respektive der ihn hinausschiebenden massnahmen. darum wohl hat die vorsehung mich auch nicht zu einem professionellen seelsorger gemacht. was ich aber dazu zwischen 76 und 87 an der uni gelernt habe, ist ziemlich genau das, was Sie sich wünschen. wer fragt, führt das gespräch. bei mir würden Sie riskieren, dass Sie nicht einmal gefragt werden: wie geht es? meine erfahrung ist, dass die menschen selber reden. „ein offenes ohr für alle“ (barbara oberholzer) – und einen offenen mund, wenn’s darum geht von der welt draussen zu berichten.

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