Reformierter Agnostiker?

Auf Distanz

An der Tagung „Lebenswelten auf Distanz“ in Zürich haben wir mit drei Kirchenmitgliedern gesprochen, die kirchliche Angebote kaum besuchen. Die Soziologin hat diese Mitglieder unter dem Begriff „Distanzierte“ beschrieben, was keinem der Gäste wirklich gefallen hat. Sie fühlten sich ausgegrenzt. Vielleicht hatten wir einfach wahnsinnig tolle „Distanzierte“ eingeladen. Jedenfalls war es beeindruckend, was diese von der Kirche erwarten, was sie ihr zutrauen und wie sie Kirche beobachten. Bei der Podiumsdiskussion hat eine von ihnen die Frage ans Publikum gerichtet, wie es denn um uns stehe, wo wir uns in der soziologischen Beschreibung der Distanzierten wiederfinden oder abgrenzen würden, wir, die wir uns in der Kirche engagieren, beruflich, ehrenamtlich oder freiwillig.

Atemübungen und Hörbücher

Für mich war das sofort klar! Vieles aus dem Vortrag trifft auf mich zu, am meisten aber die Beschreibung der religiösen und spirituellen Orientierung. Wie die Distanzierten glaube ich nicht Nichts, mache mir Gedanken über den Sinn oder den Anfang der Welt. Pflege eine innerliche Spiritualität, die gut ohne Gemeinde oder Gemeinschaft auskommt. Religion äussert sich für mich in zwischenmenschlichen Beziehungen in Güte und Hilfsbereitschaft. Wenn ich nicht krank bin oder um das Überleben eines mir lieben Menschen zittere, wenn ich nicht ein letztes Adieu sagen muss, nicht von schweren Gedanken geplagt bin, wie dem, dass eines Tages nicht nur ich, sondern auch meine Kinder nicht mehr sein werden; wenn ich also lebe, wie ich meistens so vor mich hinlebe, arbeite, liebe und denke, dann reichen mir mein agnostisches Weltbild, meine Atemübungen und meine Hörbücher (zum Abschalten) und Podcasts (zum Nachdenken).

Gott

Ich weiss, dass ich nicht wissen kann, ob da ein Gott ist. Und ich kann vieles, was noch vor 200 Jahren zum Standardrepertoire eines christlichen Glaubens gehört hat, nur dogmengeschichtlich verstehen, aber nicht so auf mein Leben beziehen, dass ich daraus Kraft schöpfe. Weder orientiere ich mein Leben daran, was Jesus an meiner Stelle getan hätte (auch wenn ich durchaus ein positives Bild von ihm habe), noch verstehe ich Luthers Teufel. Jedenfalls wiederum nicht anders als im Kontext seiner Zeit, die mir fremd ist. Genauso fremd ist mir auch die Angst vor Hölle, Bestrafung durch Gott, die Wahrnehmung von Mächten, die auf mich einwirken, Gottesbilder, die das Verhältnis von Frau und Mann, Frauen und Männern jeweils untereinander und von erlaubten oder verbotenen Sexualpraktiken regeln.

Schönheit

Gott, das ist für mich, was ich denken möchte und hoffen will, wenn ich die Welt, die Natur, die Menschen, die Kultur, mein kurzes Leben und den sicheren Tod aufeinander beziehe und das nicht nur trotzig aushalte, sondern hingebungsvoll lebe. Gott ist für mich die Idee, unter der ich hingebungsvoll leben kann. Und ich lebe so, dass ich – gerade weil ich nicht weiss ob da ein Gott ist – so tue, als ob Gott auch noch über dieser Frage steht, Ursprung aller meiner Fragen und Sehnsüchte ist und sie liebevoll zusammenhält. Das klingt vielleicht uneigentlich und bis zum Kitsch individualistisch. Aber zu mehr reicht es nicht. Also einem Glauben, der glauben kann, dass er glaubt, weil Gott auf ihn einwirkt und ihm zeigt, dass Gott Ursache von allem ist. Zu einem Glauben, der Recht über meiner Gerechtigkeitsvorstellung herstellen, Krankheit und Tod durch ewiges Heil überbieten kann, finde ich nicht die Kraft oder habe ich nicht die Gnade erhalten und will es darum auch nicht.

Im Bild (!) Gottes, der am Kreuz dafür stirbt, dass ich das nicht kann, im Bild (!) Gottes, der selbst von allen guten Geistern verlassen wird und damit auch die rettet, die in der Hölle sind, liegt für mich eine Schönheit, mit der ich leben und sterben möchte. Aber daran kann man nicht glauben. Schönheit berührt und verführt. Aber man kann nicht an sie glauben. Nur ihr glauben.

Die Meinung des Autors in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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38 Kommentare
  • michael vogt
    Gepostet um 07:38 Uhr, 11. Dezember

    auf distanz
    gehe ich z’tanz
    zu einem
    der in der stadt
    auf der handorgel
    bach spielt

    weil man das in der kirche
    ja eben nicht kann

    das schwarze loch
    eine extreme manifestation des todes
    aus distanz wahrgenommen
    auf unserer planetin erde
    der tod des todes
    leben

    so könnte vielleicht
    die distanz zwischen den astrophysischen und den theologischen
    entdistanziert weren

    in meiner studienzeit war immer ich es, der die theologischen diskussionen angerissen hat. live sind sie schwer zu finden, selten. darum auf distanz. hier. um Ihre kinder mache ich mir keine sorgen. ich sehe sie, ähnlich wie ich sie auf facebook gesehen habe, in der zukünftigen vollkommenheit vollkommen erleuchtet. so auch ihr vater. und ihre mutter. die reine vernunft ist eine agnostikerin. das wort gott wird für etwas transparent, das ich nicht abzulehnen brauche. das weiss die offenbarungsgestützte vernunft. der beitrag über friedrich schleiermacher, den Sie auf facebook verlinkt haben, hat mich interessiert. schleiermacher sagt, wird gesagt, sage nicht gott, sondern universum. ein distanzierter entdistanzierer. das wort von der strafe ist mir nicht fremd. befreiende warnung, erlösende interpretation. emotional, nicht nur so abstrakt wie „die konsequenz der verdrängung der wahrheit“. von glauben spreche ich nicht. das überlasse ich den andern. und sie dürfen es von mir aus gerne lassen. andererseits glaube ich schon an schönheit, dass sie eine bedeutung hat, leben substantiiert und ermöglicht.

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    • Anonymous
      Gepostet um 15:28 Uhr, 12. Dezember

      Der Mensch kann Gott nicht ersetzen. Was zählt, ist nur die Ebenbildlichkeit .Jeder menschliche Versuch , selber „Gott“ zu spielen, ist, historisch betrachtet , bisher gescheitert. Daher ist der Glaube geradezu eine Notwendigkeit, und wer nicht glaubt, verpasst einiges in seinem Leben. Glauben können ist zudem eine Gnade. Man sieht Vieles nicht. Z.B. die Gravitation. Obwohl man sie nicht sieht, gibt es sie. Man kann nur ihre Wirkung sehen.. Bei Gott ist es dasselbe.

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  • Anita Ochsner
    Gepostet um 08:18 Uhr, 11. Dezember

    Mir fällt dazu einfach ein: Die Frage der Ausschreibung, „Was fehlt, wenn Gott fehlt“? Und, kann man sich in Kirche nur dann engagieren, wenn man an Gott glaubt? Oder anders: Nur wer ein kleinstes Glaubenstörchen offen hat, besucht, engagiert sich in Kirche? Kirche setzt sich in vielen Dingen ein, tut viel, zum Teil, was andere auch tun, ja. Und doch anders … Es muss nicht überall „Gott“ drauf stehen, wo Glaube an Gott drinn steckt. Am Ende zählt die Beziehung aus einer Begegnung. Begegnung von Mensch zu Mensch. „Schönheit“ berührt, kann weiter tragen… Es braucht den Menschen.

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    • Jürg Hürlimann
      Gepostet um 09:49 Uhr, 11. Dezember

      Die reformierte Kirche in der Schweiz ist bekenntnisfrei. Ich zähle mich zu den Liberalen in dieser Kirche. Jedoch erwarte ich von in der Kirche engagierten Menschen, dass sie „ein kleinstes Glaubenstörchen offen“ haben. Hier unterscheidet sich auch die freiheitliche Kirche vom blossen soziokulturellen und gesinnungsneutralen Zentrum.

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      • Anonymous
        Gepostet um 10:40 Uhr, 12. Dezember

        Als Katholik irritiert mich gerade das. Das die reformierte Kirche bekenntnisfrei ist. Euch geht es ja nicht besser als uns. Obwohl ihr keine Vorschriften habt, kein Zölibat, Frauen ganz normal sind als Pfarrerin und die Pfarrer Verheiratet sind. Und trotzdem kämpft ihr, wie auch die katholische Kirche, ums überleben. Woran liegt das? Wir brauchen die reformierte Landeskirche. Sie ist wichtig. Es braucht auch die katholische Kirche. Die Unterschiede respektieren und akzeptieren und dem anderen nur das gute gönnen.

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    • Carsten Ramsel
      Gepostet um 19:03 Uhr, 11. Dezember

      Sehr geehrte Frau Ochsner

      Ich bin mir nicht sicher, ob sie mit Ihrem Beitrag so etwas wie das Folgende intendierten. Ich möchte allerdings gerne auf ein häufig beobachtetes Missverständnis zwischen Religiösen und Nicht-Religiösen aufmerksam machen, dass sich in der Frage der Ausschreibung zeigt, die nur religiöserseits so gestellt werden kann. Was fehlt der asexuellen Person, wenn sie keinen Sex hat? Was fehlt dem/der gewollt Kinderlosen, wenn sie keine Kinder hat? Was fehlt, wenn Gott fehlt? Die Antwort lautet in all diesen Fällen: „Nichts!“

      So wie sich eine religiöse Person selten vorstellen kann, dass an der Stelle des Religiösen, nennen wir es vereinfacht „Gott“, beim Nicht-Religiösen nichts ist. So selten kann sich eine nicht-religiöse Person vorstellen, dass an dieser Stelle etwas ist. Es gibt bei ihr nicht einmal diese Stelle, erklären wir sie nun psychisch, sozial, semantisch oder ontologisch. Sie wird auch nicht durch Ästhetik oder menschliche Begegnungen ersetzt. Es wäre wünschenswert, behielten wir diese Unterschiede im Kopf, wenn wir uns über Politisches, Soziales, Ethisches und Persönliches unterhielten.

      Freundliche Grüsse
      Carsten Ramsel

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      • michael vogt
        Gepostet um 22:23 Uhr, 11. Dezember

        erfreulich, dass Sie darauf hinweisen! eine frage, die eine voraussetzung enthält. hannes britschgi fragte mal otto stich: „warum haben Sie dieses finanzielle desaster angerichtet?“ (zit. adg) wäre ich stich gewesen, hätte ich geantwortet: „Ihre frage enthält eine voraussetzung“ – mit der erwartung, dass er die frage anders stellt, es sich also nicht einfach macht und ich den damit im sand versunkenen wagen allein herausschaukeln muss. britschgi hat bis zuletzt zugegeben, dass die frage unfair war. „dass wir gottes ledig werden, dazu helfe uns gott“, das gebet meister eckharts. „aphele panta!“ sagte plotin und wurde damit zum ahnvater der westlichen mystik. „hyper“, sagte dionysos von aeropagita immer wieder, „über alles hinaus gehen“, und wurde zum zweiten ahnvater der westlichen mystik. lassen und übersteigen gerieten zu so etwas wie einem grundprinzip der mystischen tradition. in dieser konsequenz geht es auch darum, gott zu lassen und zu übersteigen. das ist nicht meine diktion, „über“ wird leicht überheblich. „lassen“ ist ein imperativ, der in meinem bewusstsein nichtige striemen hinterlässt. die gestellte frage ist zudem vereinnahmend – das letzte, was wir im dialog der religionen und nicht-religionen, in dem wir uns hier unausweichlich befinden, brauchen können. im unterschied zur existenzaversion des atheismusnahen christentums leugnet eckhart die existenz nicht. ich interpretiere sein wort als freie beziehung zum stückwerk, zu der wir nicht zuletzt durch das stückwerk befreit werden. die frage geht im übrigen auf die auseinandersetzung mit den äusserungen von martin walser zum thema rechtfertigung zurück. zur feier 70 jahre menschenrechte sei es erwähnt: die rechtfertigung der gottlosen, grundlegender als die rechtfertigung aus glauben, ist von unserer religion her die zuverlässigste begründung der menschenrechte. fehlt da etwas, wenn gott fehlt? nicht unbedingt, finde ich. das auszuführen miechte, mächte oder wie sagt man? die antwort zu lang.

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        • michael vogt
          Gepostet um 22:37 Uhr, 11. Dezember

          aber noch etwas: es kann sein, dass eben gerade dann, wenn etwas nicht fehlt, etwas fehlt

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  • Esther Gisler Fischer
    Gepostet um 11:22 Uhr, 11. Dezember

    Wunderbar ehrlich lieber Stephan: In deinem berührenden Text finde ich mich!

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    • Anonymous
      Gepostet um 15:56 Uhr, 11. Dezember

      Danke! Das freut mich!

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  • Hans-Peter Geiser ZH Pfarrer, Dr. theol. M. Div.
    Gepostet um 13:23 Uhr, 11. Dezember

    https://www.youtube.com/watch?v=S6FN0EmK87c … zur Erinnerung

    Vielleicht sind Schleiermacher und Tillich – nebst ihren heutigen unzähligen Neuformen und Neunamen wie Herms + Co. – die neuen Helden einer überlebensunsicheren Kirche. Ich glaube es zwar nicht. Allzusehr haben auch die „liberalen Schöngeister“ im letzten Jahrhundert mehrheitlich kläglich versagt (Karl Barth, Allan Boesak). Nicht erst am Anfang des letzten Jahrhunderts.

    Auch wenn ich Dich mag – Stephan. In den meisten globalen Kirchen, die im Oekumenischen Rat der Kirchen in Genf Mitglied sind, erhieltest Du nicht einmal einen Job als Theologe. Schon Anfangs war die Schweiz ein Diskussionspunkt im OeRK 1948 in Genf. „Bekenntnisfrei“ .. .was soll das? Der OeRK hat ein Bekenntnis. Die CH Kirchen sind mit dabei – als merkwürdiger Ausnahmefall.

    „Agnostische“ bis hin zu „atheistische“ Pfarrer/innen“ (ZH, BE, Holland) oder kirchliches Personal ertragen glaube ich global nur gerade die Schweiz, vielleicht noch eine EKD, einzelne in Holland.. Auch nicht alle. Ansonsten wärt Ihr längstens anderswo „draussen“.

    In der Status Confessionis der Grenzen (Ulrich Duchrow, Südafrika) – nicht nur theologisch.

    Damit rede ich keinem „fundi-orthodoxen Bekenntnis“ das Wort. Doch die „liberale Theologie“ hat für mich längstens versagt. Nicht nur 1918, auch 1968, wie 2018. Zu sehr wird die Theologie nur noch zum „bürgerlichen Sprachspiel der Privilegierten, die im noch-Reichtum oder Halb-Reichtum endloser Sprachspiele sich dauerhaft institutionell selber durchspielen …“ Und sich dabei „Kirche“ nennen. Weil es den Namen dafür nun mal gibt.

    Bis der Klotz ausgeht.. Denn dafür braucht es wirklich keine „Kirche“. Das geht auch ohne (Mary Daly, Ina Prätorius 2018).

    Verarmt wärst Du sehr wahrscheinlich nicht mehr dabei – in „Kirche“. Jedenfalls nicht als Agnostiker/in or Tillich-A-Theist“. Solche gemütlichen Sprachspiele bis hin zur Aesthetik einer allumfassenden Schönheit der (Sprach) Welt können sich wohl nur die leisten, die nicht täglich den stickenden Abfalleimer vor der Nase stehend sehen. Or arbeitslos sind.

    Da ist mir der Weg von Dorothee Sölle lieber. Von der „liberalen Bultmannianerin“ zur „Gott-ist-tot-Radikalen“, um schlussendlich doch irgendwo personal wie mystisch (Karl, Rahner, Johann Baptist Metz) an einen GOTT der Armen (nach-kritisch) zu glauben, der wütend DAGEGEN steht. Weil es Gott auch wütend macht. Nicht nur sein „Symbolbild“ (Paul Tillich, Stephan Jütte).

    Die CH „Liberalen/innen“ sind meist stoisch tatenlos, wo man wütend werden sollte. Dass Dorothee Sölle den Dritten Weg gefunden hat, überzeugt mich seit Jahren mehr, als was ich an „billiger Liberalität“ (Dietrich Bonhoeffer) und „Pseudo-Progressivität“ (Dolores Williams) in CH’s Kirchen seit meiner Rückkehr aus den USA erlebt habe.

    Kein Wunder, dass in der Majority World – die verarmte – nicht die „Liberalen“, sondern die „Personalen“ im Glauben noch an einen persönlichen GOTT global am wachsen sind. Unabhängig davon, wie „zweit-naiv“ (Paul Ricoeur) dieser Glaube zumeist daher kommt. Nicht nur bei den Pfingstlern. Mindestens erlebt dieser PERSONALE GLAUBE noch den ZORN und die WUT im Gesang eines psalmischen Gottes (Bernd Janowski, Martin Luther King, Adrienne Rich).

    Das wäre dann wohl WIRKLICH Kirche – der Wütigen. Die Gelbwesten in Paris.

    Im „Liberalen“ einer CH längst gestorben. Nicht nur Gott.

    In Erwartung mal wieder der Mehrheitsklicks nach unten … https://www.youtube.com/watch?v=S6FN0EmK87c … zur Erinnerung

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    • Stephan Jütte
      Gepostet um 15:16 Uhr, 11. Dezember

      Lieber Hans-Peter,
      ich verstehe, dass mein Beitrag auch diese Frage weckt: Ja, hat das Platz in der Kirche? Nicht nur im Sinne einer Mitgliedschaft, sondern sogar als jemand, der Verantwortung innerhalb der Kirche tragen soll…?
      Als Systematiker sehe ich das theologische Problem im Glaubensbegriff: Was ist Glaube? Wenn Glaube das Fürwahrhalten oder das Anerkennen eine Tatsache meint, dann bin ich wohl raus. Wenn aber Glaube eine Hoffnung bezeichnet, die ohne Gewissheit zur Nachfolge motiviert, dann sehe ich mich eingeschlossen und gut aufgehoben. Ich sehe es als Stärke und – ja gewissermassen passt das Wort hier – grosses Vertrauen der Reformierten Kirche auch für diese Uneindeutigkeit offen zu sein.
      Ich kann dir aber versichern, dass meine Mitgliedschaft und Mitarbeit nicht an der Höhe meines Lohns hängt. Die hängen an meiner Identifikation mit der Reformierten Kirche! Und ja, das mag stossend sein, aber mir fällt die häufig spielerisch leicht; ganz anders als die pauschale Identifikation mit den globalen Christentümern….
      P.S. Die Clicks enttäuschen deine Erwartung, gell ! 😉

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      • Esther Gisler Fischer
        Gepostet um 15:35 Uhr, 11. Dezember

        Hoffnung wider alle Hoffnung und Glaube aus einer zweiten Naivität heraus.

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        • michael vogt
          Gepostet um 23:08 Uhr, 11. Dezember

          „meine Sie“ (google ; ) hoffen, wo nichts zu hoffen ist?

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          • michael vogt
            Gepostet um 23:10 Uhr, 11. Dezember

            meinen Sie „meine Sie“ (google 😉 ) hoffen, wo nichts zu hoffen ist?

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          • michael vogt
            Gepostet um 06:11 Uhr, 12. Dezember

            (hebr 11) – „gegen jede erfahrung“ (luther)

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          • Esther Gisler Fischer
            Gepostet um 13:36 Uhr, 12. Dezember

            Zuerst denken vor dem Schreiben werter Schwäbi!

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          • michael vogt
            Gepostet um 20:02 Uhr, 12. Dezember

            „Hoffnung wider alle Hoffnung“ – ich kann mir verschiedene interpretationen ausdenken. nicht nur, aber auch, dass es ein flüchtigkeitsfehler ist. oder hoffnung in einer zweiten wider hoffnung in einer ersten naivität. oder dass Sie von der darstellung reden.

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          • michael vogt
            Gepostet um 01:10 Uhr, 15. Dezember

            . . . oder die vier worte mal in die suchmaschine eingeben

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          • michael vogt
            Gepostet um 18:05 Uhr, 15. Dezember

            das ergibt dann: ein kirchenlied, ein buch mit predigten von helder camara, eines über dürrenmatt und eine katechese von papst franziskus. dann rm 4.19-25: die in der verheissung begründete hoffnung ist noch eine andere als die, sie sich aus anderem ergibt oder eben nicht ergibt. wobei die angegebene textstelle aus physischen, geopolitischen und rechtfertigungstheologischen gründen das gerade wieder in frage stellt. im zen wird gesagt „nicht hoffen“, zu anthropologisch, zu zweideutig, sondern nicht-zweiheit. bin nicht ohne verständnis dafür.

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          • michael vogt
            Gepostet um 19:02 Uhr, 15. Dezember

            geopolitisch = bevölkerungspolitisch

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          • michael vogt
            Gepostet um 03:04 Uhr, 18. Dezember

            genauer rm 4.18

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        • michael vogt
          Gepostet um 18:04 Uhr, 15. Dezember

          das ergibt dann: ein kirchenlied, ein buch mit predigten von helder camara, eines über dürrenmatt und eine katechese von papst franziskus. dann rm 4.19-25: die in der verheissung begründete hoffnung ist noch eine andere als die, sie sich aus anderem ergibt oder eben nicht ergibt. wobei die angegebene textstelle aus physischen, geopolitischen und rechtfertigungstheologischen gründen das gerade wieder in frage stellt. im zen wird gesagt „nicht hoffen“, zu anthropologisch, zu zweideutig, sondern nicht-zweiheit. bin nicht ohne verständnis dafür.

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      • Tobias Frehner
        Gepostet um 19:53 Uhr, 11. Dezember

        „Wenn aber Glaube eine Hoffnung bezeichnet, die ohne Gewissheit zur Nachfolge motiviert“. Wem wird denn hier nachgefolgt? Und worauf hofft dieser Glaube? Ist eine ehrliche Frage – ich versteh’s echt nicht.

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        • stephan
          Gepostet um 20:03 Uhr, 11. Dezember

          der glaube hofft dann gott. gott, der aus dem nicht-glauben-können kein drama macht, sondern gläubige und ungläubige unter seiner sonne atmen lässt. nachfolge bedeutet mir, so zu leben, als ob das verheissene reich gottes käme, als ob auch ich sein kind wäre, als ob er sich auch für mich hingegenen hätte. nachfolge bedeutet mir, leben aus der kraft, die aus dem bild eines gottes kommt, der sich hingibt für viele. glg, stephan

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          • michael vogt
            Gepostet um 23:55 Uhr, 11. Dezember

            statt „aus dem bild eines gottes“, könnten Sie sagen „aus der geschichte eines menschen“. so wären Sie der wahre reformator, der ja von dieser geschichte ausgegangen ist, aus der sich in seinem leben die gotteserfahrung ergab, als solche nicht nur und nicht unbedingt bild.

            (als kantianer könnten Sie sagen, auch die nachfolge sei nur ein bild, dh Sie können Ihr tun nicht als solches erkennen, sondern immer nur ihr konzept davon, was dann vielleicht auch zum schluss führen würde: ich tue nur so, als würde ich, und zur frage, ob das Ihrer menschenwürde entspricht) 😉

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      • Hans-Peter Geiser ZH Pfarrer Dr. theol. M. Div.
        Gepostet um 21:28 Uhr, 11. Dezember

        Trotz Status Confessionis … bei dem etliche DEINER Kollegen / innen nicht mehr „dabei“ wären … gerade theologisch die zumeist Vollmundigen“ – zur Entwarnung.

        Ich bin froh, dass Du „dabei“ bist … Stephan … nebst anderen.

        In Chicago 2006 – 2010 waren meine besten „theologischen Freunde / innen“ übrigens die radikal-atheistischen Marxisten / innen USA made, die als von mir Eingeladene im Wahljahr 2008 Obamas unter 11’000 an der AAR American Academy of Religion Annual Conference staunten … was für eine RADICAL FAITH (Jörg Rieger Marxist-Methodist … unter anderen ) US Theologen / innen glauben …

        In CH’s „brav-bürgerlicher theol“ Ausbildung heute LEIDER längst der Sonderfall …

        Deshalb empfehle ich allen eine a + w Chicago Experience. Selbst
        weich gewaschen … nach 2010 …

        Nur wird mann / frau, wenn sie es EINWIRKEN lassen, durch die Spülung „höchst unpassend“ für CH’s Kirchen …

        Und ja: „erstaunt“ bin ich schon ein bisschen über die etlichen LIKES … für einmal …

        Selbst in „Kirche“ gibt’s offenbar „nachliberale CH Wunder“. Guet Nacht.

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    • michael vogt
      Gepostet um 23:32 Uhr, 11. Dezember

      „gott ist tot“ ist der gemeinsame nullpunkt von atheismus, mystik und theismus. es gibt die, die sich voll darauf konzentrieren, dass jesus sich für die banachteiligten eingesetzt hat, denen der ganze dogmatische kram egal ist. obschon kramspezialisiert, wäre ein standpunkt des besserseins meinerseits völlig falsch. das gilt auch „agnostikern“ gegenüber – „an ihren früchten werdet ihr sie erkennen“, die uns hier speisen. was nun die wut anbelangt, gilt es zu bedenken, dass sie, der zorn des vaters, den sohn trifft, dass sie nicht direkt auf die benachteiligenden losgeht, sondern als rechtfertigung. das ist ein koan.

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  • Barbara Oberholzer
    Gepostet um 08:12 Uhr, 12. Dezember

    Lieber Stephan, ich habe mich sehr gefreut über diesen Beitrag. Es ist mir bewusst, wie schwierig es sein kann, seinen eigenen Glauben und Nicht-Glauben auszudrücken, ohne halt wieder auf den alten Kirchensprech zurückzugreifen. Da bleibt manchmal nur ein Ringen nach Worten.

    Für mich stellt sich auch die Frage nach der Bedeutung meiner eigenen Religion und Konfession. Ich bin ausgesprochen gerne Christin – warum? Dass ich ebenfalls allermeistens ? gerne reformiert bin, hat damit zu tun, dass mir die ref. Kirche einen sehr grossen Raum lässt, mein Christinsein selbst zu interpretieren.

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  • Alpöhi
    Gepostet um 08:43 Uhr, 12. Dezember

    Schöner Artikel. Dennoch teile ich die Argumentation nicht.

    Die Bibel berichtet uns von einem „lebendigen Gott“, der/die Gemeinschaft sucht mit den Menschen (und der Schöpfung überhaupt). Nun gibt es zwei Möglichkeiten:
    1) Es ist gelogen. Dann sind wir (um es mit Paulus zu sagen) „die dümmsten aller Menschen“.
    2) Es ist wahr. Dann stellt sich die Frage: Warum erleben ihn die einen, die anderen aber nicht?

    Die Menschen in der Bibel sagen: Vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat. Sei dankbar in allen Dingen. Loben zieht nach oben.

    Meine Sicht ist: Wir müssen unsere Komfortzone verlassen. Gott begegnet uns, wenn es existentiell wird. Vielleicht erleben wir West-Christen deshalb eher wenig? Wir haben doch alles, sind so satt und vollkasko-versichert. Paulus ging es doch ebenso: Ein existentielles Erlebnis, ein „Wunder“ hat ihn umgedreht.

    Mein Leben wurde umgekrempelt, als ich zum persönlichen Glauben fand. Ich fand Gemeinschaft und wurde gemeinschaftsfähig. Dies macht mein Leben reich, bis heute. Für das bin ich Gott ewig dankbar.

    Skeptiker könnten einwenden, dass dies einfach die Folgen des Erwachsenwerdens gewesen seien. Vielleicht. Aber: Kann man Wunder erklären? Die Frage ist falsch gestellt. Muss man Wunder erklären? Ich meine, nein. Den Glauben muss man nicht erklären. Er ist letztlich übernatürlich, und ja, ein Geschenk. Ein Geschenk, das Gott allen geben will, die ihn/sie suchen.

    Mir hilft der Glaube nicht nur, dereinst zu sterben, sondern auch, hier und jetzt zu leben. Von da her finde ich es sehr vernünftig, an Gott zu glauben.

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  • Corinne Duc
    Gepostet um 11:22 Uhr, 12. Dezember

    „Wir müssen unsere Komfortzone verlassen.“ – Das ist doch, was für die traditionelle Kirche nötig wäre und in diesem Blog-Beitrag gewagt wurde.
    Wenn es in der reformierten Kirche mehr Zeichen eines mutigen Aufbruchs gäbe, Klarstellungen dass wir nicht Sklaven des Buchstabens sein sollen sondern jedeR einzelne das Gerede mutig und kritisch hinterfragen soll, auch wenn mit Widerstand aus traditionsfixierten Kreisen zu rechnen ist,
    müssten weniger Menschen aus der Kirche austreten – austreten weil sie zwar durchaus sehen dass es auch gute Absichten in dieser Kirche gibt aber das verkrampfte Festhalten an traditionellen Normen nicht weiterführend ist und sie keine Hoffnung mehr haben dass sich hier einmal noch etwas ändern könnte.
    Siehe – es geschieht Neues. Ist das nicht eine wesentlicher Aspekt evangelischer Botschaft (quasi als anti-traditionalistische Ankündigung)? Zugleich als Zeichen dass alte verkrustete Gesellschaftsformen nicht auf ewig halten bzw. festgehalten werden müssten, nur weil sie traditionell sind, sondern Neues erwartet werden darf und – sei es anfangs auch in noch so kleinen Dimensionen – schon effektiv als wachsend erlebt werden kann. Mitunter sogar als Zeichen gemeinschaftlicher Erneuerung und gemeinsamen Unterwegsseins.

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    • Esther Gisler Fischer
      Gepostet um 13:39 Uhr, 12. Dezember

      Schön gesagt liebe Frau Duc: Danke!

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    • Alpöhi
      Gepostet um 14:53 Uhr, 12. Dezember

      >> das Gerede mutig und kritisch hinterfragen

      Unbedingt! Soviel Freiheit im Denken muss doch einfach sein.

      Aber es braucht auch einen angemessenen Respekt vor den alten Geschichten. Sonst wird dann z.B. aus der Weihnachtsgeschichte plötzlich ein Mädchen, das erzählt, „er hat gesagt, er sei ein Engel, und jetzt bin ich schwanger“ – nichts weiter als eine metoo-Geschichte. Weit weg von Weihnachten.

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      • Corinne Duc
        Gepostet um 15:28 Uhr, 12. Dezember

        wäre das nicht doch eher wieder eine frage der kritischen einstellung?

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      • Esther Gisler Fischer
        Gepostet um 18:20 Uhr, 13. Dezember

        Die Weihnachtsgeschichte wird ja immer als eine Art Märchen verklickert; -selbst von Pfarrpersonen, welche es eigentlich besser wissen müssten! Nur eine sozialgeschichtliche Interpretation kann da helfen. Dann kommt die ‚zweite Naivität‘ ins Spiel (nach Paul Ricœur), welche den Wahrheitsgehalt dieser biblischen #MeToo-Geschichte (was sie nämlich wahrscheinlich durchaus ist!) ans Licht bringt und fruchtbar werden lässt für ein befreiteres Leben im Hier und Jetzt.

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  • michael vogt
    Gepostet um 21:56 Uhr, 12. Dezember

    guten abend herr jütte, bin eben in meditatione noch auf etwas gekommen (auf fb löschbar konkretisiert). der gefeierte karl barth spricht in seiner letzten vorlesung „einführung in die evangelische theologie“ von verwunderung. ich glaube mich zu erinnern, erspricht dann auch von erschrockenheit, jedenfalls von betroffenheit. den von Ihnen zwischendurch für einen moment alternativ gefeierte friedrich schleiermacher zu hilfe nehmend, komme ich auf das folgende: wenn Sie so tun, als wären Sie ein kind des universums, jedenfalls, wenn Sie sich dafür halten, sind Sie tatsächlich ein kind des universums. ich mehme an, dass Sie das ohne weitere explikation meinerseits einsehen. das zuerst einmal befremdliche tun als ob, erscheint zumindest als wahrheitsmoment. ich gehe dann weiter und frage: woher kommt es, dass sie so tun, als wären Sie ein solches kind. antwort: aus dem universum. damit komme ich – wie beide ahnväter in übereinstimmung zugleich – zum begriff der offenbarung. die drei von karl barth genannten erfahrungen haben zur folge, dass „my plan“ zum stillstand kommt, jedes tun und jedes tun als ob – und dann – wie immer – anders weitergeht. das ist zugleich ein hinweis darauf, warum offenbarung so geschieht, wie sie geschieht. in einer welt, die so ist, wie sie ist, warum immer. die nicht gemachte erfahrung.

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