Wie die EKS Profil zeigt

Staubtrocken – so kommt die Angelegenheit auf dem Papier daher: In den kommenden Monaten passen die Mitgliedkirchen des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds ihre Reglemente und Geschäftsordnungen an die neuen Strukturen der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz an.

Tatsächlich wird dieser Übergang aber eine spannende Sache. Ein entscheidender Faktor wird die Verteilung der neuen Sitze in der Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz sein, die gegenüber der Abgeordnetenversammlung des SEK vergrössert wird. Denn laut Verfassung der EKS kommt der Synode ausdrücklich die Aufgabe der Kirchenleitung zu. Auch der Rat und Ratspräsident bzw. Ratspräsidentin der EKS haben eine Leitungsfunktion. Die Synode ist aber «das oberste Organ der EKS» (§ 18 der EKS-Verfassung).

In der bisherigen Abgeordnetenversammlung des SEK (Stand 2018) waren gut die Hälfte der Delegierten Pfarrerinnen und Pfarrer. Dazu kamen einige Personen aus Exekutiven oder anderen Leitungspositionen, die zwar keine Theologen bzw. Theologinnen, aber dennoch «Kirchenprofis» sind. Das ist auch ok so. Pfarrerinnen, Theologen und andere «Kirchenprofis» bringen oft unerlässliche Sachkenntnis mit. Und sie schaffen Kontinuität, weil sie über längere Zeitspannen in den verschiedenen Gremien tätig sind.

Allerdings bedeutet diese Sitzverteilung, dass jene Kirchenmitglieder, die in anderen Berufen und sozialen Umfeldern unterwegs sind, im obersten Organ der werdenden EKS weniger stark repräsentiert sind. Und dass kaum jüngere Personen in der Synode sitzen. Denn um dorthin zu gelangen, muss man sich zuvor länger in einer kantonalen Synode engagieren. Diese Menschen fehlen. Sie hätten zur zukünftigen Gestaltung und Ausrichtung der EKS einiges zu sagen, was die «Profis» vielleicht anders oder weniger klar sehen.

Mehr Vielfalt schaffen

Diesen Mangel kann man jetzt teilweise ausgleichen. Unter Synodalen kursiert folgende Idee: Die neuen Reglemente könnten vorsehen, dass Kirchenmitglieder von ausserhalb der kantonalkirchlichen Synoden bzw. Kirchenparlamenten in die EKS-Synode delegiert werden. Denkbar wären Vertreterinnen und Vertreter aus dem Kulturbereich, dem Gesundheitswesen, Jugendverbänden oder landeskirchlichen Bewegungen; vielleicht sogar aus traditionell kirchenferneren Gefilden wie der Tech-Branche. (Und, wer weiss, möglicherweise ergibt sich dabei auch eine Verjüngung der Delegationen.) Gute Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, die frischen Wind, Zeit, Kompetenz, kritische Distanz und zugleich ein Herz für die Kirche mitbringen, wird nicht einfach sein. Und sie werden andere engagierte Leute brauchen, die sich mit ihnen austauschen und wichtige Informationen, z.B. aus den kantonalen Synoden, teilen. Unmöglich ist ein solches Vorhaben aber keineswegs. Und es gibt gute Gründe, es zu wagen.

Ein Signal senden

Gerade die grossen Kirchen wie Refbejuso und Zürich erhalten zusätzliche Sitze, die sie nicht unbedingt mit Theologinnen, Pfarrern oder anderen «Insidern» besetzen müssen. Wenn sie sich für eine möglichst breite Vertretung aller ihrer Mitglieder in der EKS-Synode einsetzen, senden sie schweizweit ein wichtiges Signal aus:

  1. Die reformierte Kirche wird weiterhin darauf setzen, eine offene, vielfältige Kirche zu sein. Sie sammelt nicht einfach einen «heiligen Rest», sondern scheut keinen Aufwand, um mit möglichst weiten Teilen der Gesellschaft in direktem Austausch zu stehen. Das bleibt auch so, wenn die Mitgliederzahlen sinken.
  2. Die reformierte Kirche lernt und entwickelt sich, indem sie auf eine Vielfalt von Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen hört. Die Entscheidungen fallen hier nicht in den Köpfen einiger weniger «Kleriker». Sondern möglichst verschiedene Menschen äussern ihre Kritik und Anliegen dort, wo die Weichen gestellt werden.
  3. Die reformierte Kirche scheut die Konflikte nicht, die in einer so vielfältigen und vielseitigen Kirche ausbrechen können. Ihr Profil besteht nämlich darin, dass sie menschlich gesehen kein vorherrschendes Profil, keinen letzten politischen Konsens, keine definitive Mitte hat. Ihre Mitte ist vielmehr Gott, der über allen ihren Differenzen und Gräben steht – und so «Einheit in Vielfalt» schafft.

Die Gelegenheit nutzen

Der Zeitpunkt für ein solches Signal ist günstig wie nie. Durch die Reorganisation der Abgeordnetenversammlung des SEK zur EKS-Synode werden zusätzliche Sitze geschaffen, für die noch niemand gewählt ist. Werden sie nach Kriterien der Diversität besetzt, wird die Vielfalt der reformierten Kirche mit sofortiger Wirkung (immerhin besser) abgebildet. Sogar ohne, dass die Fraktionen oder die Exekutiven dafür zwingend bisherige Sitze abgeben oder anders besetzen müssen.

Wenn es dann noch gelingt, dieses Bekenntnis zur Vielfalt breit zu kommunizieren, wird es auch in der Öffentlichkeit unterstreichen, was sich die reformierten Landeskirchen schon lange auf die Fahne geschrieben haben. In den Worten der «Vision Kirche 21» von Refbejuso: «Vielfältig glauben – Profil zeigen». Ganz nebenbei wäre die Aktion also beste Gratiswerbung. Und, denkt man an die Botschaft, die in diesem Bekenntnis steckt, eine gute Gelegenheit für die Verkündigung des Evangeliums «in Wort und Tat».

Die Meinung des Autors in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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3 Kommentare
  • michael vogt
    Gepostet um 06:45 Uhr, 21. März

    in anlehnung an johann wolfgang von goethe könnte man also sagen:

    über allen differenzen und gräben ist ruh

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