Der BLICK des Grauens stoppt vor dem ersten Schuss

Vier Headline-Meldungen auf der BLICK-online Seite beschäftigen sich am Samstagmorgen mit dem Massenmord in Neuseeland. Vier Meldungen, ein Blick des Täters.

Mitfühlsam die erste: „Attentäter vor Gericht beinahe mit Messer attackiert.“ Mitleid?
Im journalistisch sorgfältig unkommentierten Erklärvideo dann der Blick aus der Perspektive des Mörders. Die Go-Pro im Anschlag, Blick in den Kofferraum auf die stolz verzierten Waffen und dann im bester Egoshooteroptik die Strasse entlang, im Fokus die Waffe, schneller Schritt, tausendfach geübt, um die Ecke, durchs Tor, in den Eingang der Moschee.
Das Bild friert ein, Cliffhanger.
Es fliesst kein Blut, soviel journalistischer Anstand muss sein.

Die Zeiten haben sich offensichtlich geändert, Attentat für Attentat, hatten sich die Profilbilder meiner Facebookfreunde in den Landesfarben des jeweiligen Attentats gefärbt. Ein wenig pathetisch, hilfloses Zeichen des Entsetzens und der Solidarität mit den jeweiligen Opfern. „Je suis Paris.“

Und jedesmal haben die grossen Boulevardmedien Fotostrecken der Opfer veröffentlicht. Wahlweise kleine Kinder oder junge schöne Frauen im besonderen Fokus der Erinnerung. Was sich halt gut verkauft. „Den Opfern ein Gesicht geben“ haben sie es genannt.
„Wir vergessen Euch nicht.“ So oder so ähnlich waren die vorgeschobenen voyeuristischen Begründungen. Nichts davon findet sich in der Berichterstattung über den Massenmord in der Moschee von Christchurch.

Entdecke ich hier womöglich einen Fortschritt hin zu einem seriösen journalistischen Ansatz sachlicher Berichterstattung? Der einzige Blick auf die Opfer ist ein Bericht über den Vater eines Kindes. Im Augenblick der Traumatisierung vor die Mikrofone gezerrt, bezeichnet er seinen Sohn als einen „tapferen kleinen Soldaten“. Warum wird mir grade dieser Vater vorgestellt? Unter Vortäuschung echter Anteilnahme wird mir hier zwischen den Zeilen noch der finstere Muselmann gezeigt. Kindersoldaten, das passt zum Framing der Headline: „Moschee Amok“. Da finden alle Schlagworte wieder zueinander. Feinsinnig und suggestiv werden hier die Begriffe wieder feindbildgerecht zugeordnet.
Da bleibt das islamophobe Weltbild im Gleichgewicht.
Und die notwendigen Klicks müssen nicht mit Bildern der Opfer generiert werden, schliesslich hat der Mörder die sensationelleren Bilder gleich mitgeliefert. Wenige Jahre nach Einführung der Livestreamfunktion bei facebook müssen sich die Medien nicht mehr mit mühsam aufbereitetem Sekundärbildmaterial begnügen. Der Täter liefert das Bild gleich live, diktiert seine Sicht den Medien in die digitale Feder.
Klick für Klick, ein Blick des Grauens.

Die Meinung des Autors in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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11 Kommentare
  • michael vogt
    Gepostet um 08:00 Uhr, 17. März

    wir brauchen den tod vom kriminalroman bis zum terror. die elementarste befreiung: buddha starb während des lebens und erwachte. predige ich am sonntag morgen buddhistisch. nein, es ist – wenn auch selten bemerkt – überall so, auch in unserer religion.

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    • michael vogt
      Gepostet um 08:09 Uhr, 17. März

      . > ?

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    • michael vogt
      Gepostet um 12:21 Uhr, 17. März

      da der kommentar entfreigeschaltet wurde, nehme ich die gelegenheit wahr, ihn ohne den an dieser stelle unpassenden fehler nochmal abzuschicken – und fände es besser, wenn der erste auch später nicht freigeschaltet würde. an 2+nter stelle passt er ohnehin besser.

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  • THOMAS GROSSENBACHER
    Gepostet um 08:36 Uhr, 17. März

    Ein multipler Tabubruch.
    Er geschieht weit weg, geht aber sehr nahe.
    Er könnte überall geschehen sein.

    Emotionen überlagern, was hier an Unmenschlichem geschehen ist. Wir schauen die Bilder, die Filmfragmente – das Video erspart uns das SRF – erzeugt von der Helmkamera des Täters. Im Internet suchen viele nach dem vollen Film. Er lässt sich finden. Das www ist offen für alles.

    Doch diese Diskussion könnte vom Eigentlichen ablenken. Es geht zunächst um das Übertreten einer roten Linie. Die Bibel beschreibt sie – knapper gehts nicht – im 6. der 10 Gebote. Lo tirzach. Morden – nein! Das ist die rote Linie,
    Niemand hat das Recht einem Menschen das Leben zu nehmen. Leider ist sich darin die Weltbevölkerung noch längst nicht einig. Diese Uneinigkeit geht n.b. durch alle Religionen und Konfessionen hindurch. Darum muss an erster Stelle dieser Tabubruch angeprangert werden.
    Das Entsetzen und die nun einsetzende sachliche Diskussion über die Art der medialen Verbreitung könnte dieses primäre No Go in den Schatten stellen, drum sei es hier in aller Deutlichkeit festgehalten. Lieber noch ein Filmchen mehr, mindestens ein paar Pics.

    Dabei haben wir in denselben 10 Geboten, die hier schon angesprochen wurden, eine klare Absage an unser projektives Festlegen unserer eigenen Vorstellungen, Sichtweisen und Interpretationen des Lebens im Bild. Das im Gebot gesetzte Tabu, betrifft nicht nur Gott sondern konsequenterweise auch alles, was ihm gleicht und auf ihn als alles in allem verweist.

    Reden wir darüber! Reden ist geboten nicht verboten. Selbst wenn wir rhetorisch entgleisen, es gibt immer eine Chance zur Gegenrede. zur Kritik, zum Aber. Bilder die gesetzt sind, bleiben im Kopf. Sie nageln fest., Sie zeigen vermeintliche Objektivität: „So war es, basta“ Sogar unser Entsetzen verlässt sich auf diese unmöglichen Bilder.

    Das beginnt schon scheinbare harmlos in den Abdankungs- oder Erinnerungsfeiern in Kirchen und anderen Räumen. Vielerorts ist es schon zum selbstverständlichen Brauch geworden, Vorne steht das Bild des oder der Verstorbenen. Ein Bild. Als gäbe es nur dieses, eine. Imvorgetragenen Lebenslauf kommen hoffentlich verschiedene Facetten aus der Lebensgeschichte des oder der Verstorbenen zur Sprache. Aber das eine Bild soll das zeigen. Nein, das ist kein Plädoyer ganze Filme in Erinnerungsfeiern zu zeigen.

    Das Beispiel das ich genannt habe ist verglichen mit diesem jüngst Gschehenen harmlos. Aber da und dort Ist es diese unseelige, einengende und vereinnahmende Festlegungsstrategie, die in der fotographischen und filmischen Berichterstattung – sei es freudiger oder leidvoller Ereignisse – an den Tag kommt. Oft unerkannt liegt eine lenkende Interpretation zu Grunde, die bewusst oder unbewusst Menschen in Geiselhaft das Gezeigte als Statement zu verstehen. „Seht, so war es.“
    Oder indoktrinierender, „So sollt ihr es sehen und verstehen.“

    Und nun: Neuseeland. Das grausame Geschen, das gezeigt wird, genau in der Perspektive wie Filmende und Fotografierende es wollten, multipliziert das Grauen, schaukelt das, was da jemand getan hat auf. Was eben eine weitere Eskalationsstufe erreicht hat hat längst begonnen. Kriegsschauplätze haben Filmemacher schon lange fasziniert. Mag man auch die Hoffnung gehabt haben das Grauen zu zeigen, um davor abzuschrecken, immer verbarg sich darin der Versuch (oder die Versuchung?) mit dem Objektiv der Kamera Objektivität herzustellen. Der Versuch scheiterte in jedem Fall. Der Blickwinkel ist immer subjektiv. Und erst Recht unglücklich ist die Meinung, „so etwas muss doch festgehalten werden!“. Ich plädiere nicht fürs Vergessen oder unter den Tisch wischen. Es gibt andere Mittel als, die die gleichermassen den Voyeurismus bedienen.

    Ich fürchte, es ist naiv von mir zu sagen: Das war nun der Gipfel des Gräuels und des Grauens. Wie die Entwicklung zeigt erfinden Menschen immer noch jenseitigere Tabubrüche. Dazu nichts zu sagen, in aller Subjektivität eines Blockbeitrages wäre auch bedenklich. Schweigen und Nachdenken, auch über den eigenen Umgang mit der Welt der Bilder ist mindestes so wichtig, auch wenn wir selber nie auf die Idee kämen mit einer Helmkamara ….

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  • Bernd Berger
    Gepostet um 10:29 Uhr, 17. März

    Danke für den wichtigen Beitrag. Er zeigt warum guter Journalismus so wichtig wäre, um Bilder und Ereignisse einordnen zu können. Bei der kommentierten Berichterstattung des Blick bleibt mir nur Wut und Entsetzen. Der Attentäter diktiert den Blick, er bleibt „sorgfältig unkommentiert“. Die Opfer werden subtil diffamiert. Und dieses Mal sind wir nicht Christchurch. Etwas ratlos macht mich auch, dass der Beitrag von 2 Leser*innen als langweilig bewertet wird. Man kann die Einordnung meinetwegen falsch finden – aber langweilig???

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    • Barbara Oberholzer
      Gepostet um 06:11 Uhr, 18. März

      Guten Morgen Herr Berger
      Ich hab einmal „langweilig“ angeklickt. Ein Blick-Bashing aus pädagogisch-intellektueller Sicht finde ich sehr langweilig. Und lenkt von der wahren Problematik und Tragik ab.

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      • Barbara Oberholzer
        Gepostet um 06:25 Uhr, 18. März

        Und übrigens lösen vermutlich auch Bildstrecken bei Menschen Unterschiedliches aus. Bei mir wars ein bodenloses Grauen vor dieser Tat. Ich sah mich selbst klar auf der Opfer-, nicht der Täterseite. . Vllt, weil ich keine Ballergames spiele? Die Bilder der Opfer wurden zudem gleichentags auch aufgeschaltet.

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      • Anonymous
        Gepostet um 09:01 Uhr, 18. März

        Das kann ich nachvollziehen. Allerdings geht es mir – und vermutlich auch dem Autor – nicht um Blick-Bashing, sondern um den Umgang mit Bildern, um die subtilen Unterschiede in der Berichterstattung über islamistische Attentäter und diesem Attentat auf Moscheen.
        Der Umgang mit vorhandenem Bildmaterial ist eine extrem schwierige Frage. Das ist mir bewusst.
        Und jenseits der Mediendebatte: die eigentliche Tragik ist, dass 50 Menschen mit einer eigenen Lebensgeschichte, mit vielfältigen Beziehungen durch den ideologischen Wahn eines Menschen aus dem Leben gerissen wurden. Und dann kommen die Fragen nach dem kulturellen Klima, in dem solche Taten gedeihen, nach dem Zugang zu Waffen, auch nach unserer Ohnmacht und eben die Frage nach dem medialen Umgang.

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        • Carsten Heyden
          Gepostet um 09:13 Uhr, 22. März

          Lieber Anonymus
          Ich fühle mich verstanden, herzlichen Dank für Deinen Kommentar.
          Blick-Bashing ist langweilig und wohlfeil. So ist es.
          Allerdings hat es der BLICK geschafft, mit seiner „Berichterstattung“ eine Haltung auf den Punkt zu bringen, die bei mir blosse Wut erzeugt hat, innerhalb einer Stunde in einen Blog gegossen. Es war die Wut darüber, dass dieser Massenmord medial und in den sozialen Medien gänzlich anders eingeordnet wurde als andere zuvor. Auf den Punkt gebracht, durch die Headline „Moschee-Amok“.
          Warum nicht „Christchurch-Massenmord“? Es war ja kein Amoklauf eines Menschen, der an irgendeiner Stelle seines Lebens durchdreht und blindwütig um sich schiesst, sondern ein kaltblütig peplanter und medial inszenierter Massenmord. Ein Massaker an Betenden.
          Inzwischen wird auf diversen rechten Seiten und in rechtsradikalen Foren der Mörder in einen linksradikalen Klimaspinner umgelogen.
          Und meine sonst so schnell und routiniert reagierenden facebookfreunde haben geschwiegen.
          Und das beschäftigt mich schon sehr, ob wir mit diesem Massenmord anders umgehen. Und ob möglicherweise die Tatsache, dass es sich bei den Opfern um Muslime handelt, dabei eine Rolle spielt.
          Natürlich führt mein Blog am „Kern der Sache“ vorbei.
          Was wäre auch zu schreiben, zum „Kern der Sache“, ausser blankem Entsetzen, Verachtung und Mitleid? Womöglich noch ein paar böse Gedanken zu Waffen, die wenn sie denn verkauft werden, in der Regel auch eingesetzt werden. Alles nicht minder wohlfeil und vorhersehbar.
          Erst in der Brechung durch die Berichterstattung tritt für mich ein anderer Kern der Sache in den Blick. Und der erschüttert mich.
          Es ist genau solch eine Berichterstattung, die den Hass erst möglich macht. Erst in der Lichtbrechung dieser Art des medialen Umgangs zeigt sich der Schatten als Beweggrund für den Hass.

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      • Anonymous
        Gepostet um 10:15 Uhr, 20. März

        Liebe Barbara
        Ich weiss jetzt nicht wie oft Du schon mit den Machenschaften des Blicks und seiner „Journalisten“ im realen Leben konfrontiert wurdest.
        Wenn Du Deine Kameraden beim Suchen von sterblichen Ueberresten anlässlich eines Unfalls begleitest, dann kommt das vor.
        Wenn Du den Angehörigen eines verstorbenen Militärpiloten die Todesnachricht überbringen musst, dann musst Du schneller sein als
        die Blick-„Journalisten“.

        Es kann gar nicht genug Blick-Bashing geben… und es ist auch nicht langweilig…

        Bedenklich für unsere Gesellschaft, dass eine solche Zeitung existieren kann.

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  • michael vogt
    Gepostet um 12:16 Uhr, 17. März

    wir brauchen den tod vom kriminalroman bis zum terror. die elementarste befreiung: buddha starb während des lebens und erwachte. predige ich am sonntag morgen buddhistisch? nein, es ist – wenn auch selten bemerkt – überall so, auch in unserer religion.

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