Streit um die Macht

Wir Reformierten sind immer schon stolz darauf gewesen, dass in unserer Kirche keiner (und keine) allein Macht hat, sondern alle miteinander. Und damit keine (und keiner). Selber denken und selber leiten hiess die Parole – und schon bei Zwingli ist jede „Kilchöri“, jede Kirchgemeinde, selber der Ort der Entscheidungen, ob es nun um die Abschaffung der Messe oder die Anstellung der Pfarrer geht. Die Macht hat immer das Volk. Die Laien, die Christinnen und Christen, die nahen und fernen Kirchenmitglieder. Und die Leitenden sind nichts anderes die Dienenden. Hier nach der Macht zu streben, ist unreformiert. Und damit böse.

Und nun das – Streit um die Hierarchie, um den Titel, um die Definitionsmacht, die Entrüstetseinsmacht, die Rechthabemacht, um die Schweigemacht und um die Redemacht. Wer hat die Macht zu sagen, was reformierte Kirche ist? Und vor allem, was sie nicht ist?

Der grosse, rosa Elefant steht wieder mitten im Kirchenraum – wo er wahrscheinlich über die Jahrhunderte gestanden ist, aber wir haben immer getan, als ob es uns um alles andere ginge. Bis uns der Elefant medial mächtig verstärkt ins Gesicht trompetete.

Die Frage nach dem Bischofsamt ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Dabei haben uns doch die Katholiken schon immer damit aufgezogen, dass wir dächten, wir hätten keinen Papst – aber wir hätten doch in jeder Kirchgemeinde mindestens einen davon: lange Jahre unangefochten der Herr Pfarrer, dann kamen plötzlich die Frauen. Und das Teampfarramt. Ein Team von Päpsten und Päpstinnen, das konnte nicht gut gehen. Und weil wir ja dabei immer wieder doch am Primat des bottom-up festhalten wollten, kamen noch mehr, die mitreden wollten: die Kirchenpfleger und –pflegerinnen natürlich, aber auch die Diakone und Katechetinnen, die Organisten und Kirchenchöre, die Laienpredigerinnen und die Jugendarbeiter.

Und natürlich dürfen, sollen sie mitreden. Sollen sogar die Kirchgemeinde gemeinsam leiten, einander zugeordnet. Pfarrerinnen, Angestellte und Kirchenpflege gemeinsam im Leitungsdienst zum Aufbau der Gemeinde. Wer was? Alle miteinander einträchtig und demütig im Heiligen Geist. Leib Christi, Gemeinschaft der Heiligen, das Gottesvolk gemeinsam unterwegs.

Und nun werden die Kirchgemeinden grösser. Zum Teil viel grösser. Die Organisation der Verwaltung wird anspruchsvoller. Und es entsteht ein neuer Beruf: Kirchgemeindeschreiber. Oder –schreiberin. Was kann der? Was darf die? Gemeinde organisieren? Oder auch Gemeinde leiten? Eigentlich auch, oder nicht? Geistlich zugeordnet. Neue Päpste? Neue Bischöfinnen?

Streit um die Macht – nicht nur in der Schweizer Kirche, auch in den Kirchgemeinden. Zum Glück gibt es gute alte Traditionen des Streitens in der Kirche: Disputationen, Diskussionen, zusammensitzen und miteinander reden.

Vertreterinnen und Vertreter von Aus- und Weiterbildung, der Zürcher Landeskirche, dem Verband des Personals Zürcherisch reformierter Kirchenverwaltungen und dem Zentrum für Kirchenentwicklung wollen dem rosaroten Elefanten ins Gesicht blicken. Ihn trompeten lassen, hoch und tief und laut und leise.
Wer leitet die Gemeinde? Wer bestimmt die geistliche Ausrichtung? Wo steht der geplante Beruf der Kirchgemeindeschreiberin? Taugt die partnerschaftliche Gemeindeleitung (Zuordnungsmodell) weiterhin? Können wir Verständnis für einander entwickeln, Gestaltungsraum zugestehen, Vertrauen aufbauen? Können die Berufsorganisationen positiv wirken?

Man kann ja mal versuchen, darüber zu reden. Fair, klar und deutlich, und von Angesicht zu Angesicht.

Zum Beispiel am 7. September am Hirschengraben 50 in Zürich.

www.bildungkirche.ch/streitummacht

Die Meinung der Autorin in diesem Beitrag entspricht nicht in jedem Fall der Meinung der Landeskirche.

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2 Kommentare
  • michael vogt
    Gepostet um 13:04 Uhr, 10. Juli

    danke für die, wie mir scheint, kundigen ausführungen. rosa elefant? die farbe beruhigt. Sie denken wohl an das https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Elefant_im_Raum. der suchende trifft aber als erstes auf das https://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_Elefant. die passage, in der Sie den heiligen geist erwähnen, klingt antiquiert. aber es hat schon etwas für sich, dass die nur anthropologische argumentation irgendwann irgendwo auf dem weg stecken bleibt.

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    • Esther Gisler Fischer
      Gepostet um 19:24 Uhr, 10. Juli

      Lieber einen rosa Elephanten sehen als weisse Mäuse. Oder kommt dies in etwa auf’s selbst raus? Im Ernst: ich bin froh und dankbar für diese Tagung, die ich gerne besuchen werde!

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